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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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aber es war nicht viel Brauchbares darunter. Sie schien etwas durcheinander und verwirrt, wirkte allerdings nicht wie das übliche Opfer. Sie plapperte unaufhörlich über Sex, und da kapierte ich, dass ihr ihre Arbeit gefällt. Sie hat gerne Sex. Viel Sex. Das kommt wohl auch bei Prostituierten vor.
    Jedenfalls gibt es schlimmere Arten, seine Zeit zu verbringen. Berichte zu schreiben ist ein schöner morgendlicher Zeitvertreib.
    Huw Fletcher geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Er ist wichtig. Das weiß ich, doch ich habe keine Ahnung, wie ich ihn mit der laufenden Ermittlung in Verbindung bringen kann. Er hat sich so sang- und klanglos aus der Arbeit verabschiedet, dass seine Kollegen zwar verwirrt, aber nicht verwirrt genug waren, um die Polizei einzuschalten. Er hat eine verdächtige SMS geschickt, das weiß ich allerdings nur, weil ich in das Haus eines anderen Verdächtigen eingebrochen bin und dessen Handy entwendet habe. Und selbst diese SMS ist nur von Bedeutung, wenn man auch Penry für eine Schlüsselfigur in diesem Fall hält, und das wiederum funktioniert nur, wenn man Rattigan eine Bedeutung beimisst. Da Rattigan jedoch tot ist, hat er – in den Augen meiner Kollegen – nur eine sehr geringe Bedeutung. Ich sehe das natürlich anders. Ich glaube, dass die Toten so wichtig sind wie die Lebenden. Aber es ist ja auch kein Wunder, dass ausgerechnet ich allen Grund habe, das zu glauben, oder?
    Irgendwann am Nachmittag habe ich es satt, darüber nachzugrübeln, und rufe Bryony Williams an.
    Sie geht nach dem dritten Läuten ans Telefon. Ich nenne meinen Namen und komme sofort zur Sache.
    » Bryony, Sie müssen mir einen Gefallen tun.«
    » Klar, kein Problem.«
    » Zuerst mal: Kennen Sie einen Kerl namens Huw Fletcher? Er hat was mit Prostitution und Drogen zu tun, mehr kann ich leider nicht sagen.«
    » Huw Fletcher? Nein. Nie gehört.«
    » Okay, macht nichts. Aber wissen Sie, ich glaube, dieser Fletcher ist da in was ziemlich Hässliches verwickelt. Irgendwas, das auch die Frauen betrifft, die Sie schützen wollen. Es gibt begründete Verdachtsmomente, die darauf hindeuten, aber ich kann Ihnen nicht sagen, welche. Leider darf ich auch die Quelle nicht nennen, die mir Fletchers Namen genannt hat, und ich kann Fletcher erst mit der laufenden Ermittlung zusammenbringen, wenn ich hieb- und stichfeste Beweise habe. Und Sie müssen diese Beweise für mich erbringen.«
    » Was soll ich tun?«
    » Sie müssen nur sagen, dass Sie auf der Straße gehört haben, dass Huw Fletcher an Menschenhandel und Zuhälterei beteiligt ist. Sie haben dieses Gerücht gehört und wollten es an mich weiterleiten.«
    » Okay. Klar. Das kann ich gerne sagen.«
    » Vielleicht müssen Sie es auch mal irgendwann vor Gericht sagen.«
    » Verstehe. Kein Problem.«
    » Könnte auch sein, dass man Ihnen diese Fragen auch im Zusammenhang mit der Suche nach einer vermissten Person stellt.«
    » Okay.« Ein lang gedehntes Okay. » Und wer wird vermisst? Fletcher?«
    » Genau.«
    » Na gut. Wer A sagt, muss auch B sagen.«
    » Bryony, Sie sind ein Schatz. Nein, noch besser. Ein Goldschatz. Oder so.«
    » Ist schon in Ordnung. Man fälscht ja nicht jeden Tag Beweise für einen Polizeibeamten.«
    Sie legt auf. Ich tue erst mal gar nichts, aber ich freue mich, dass sich mein Spielraum gerade beträchtlich erweitert hat. Fletcher. Fletcher, der Pfeilmacher.
    An diesem Abend erlauben es die operativen Gegebenheiten Brydon und mir, miteinander auszugehen. Wir verabreden uns für halb acht in einem Weinlokal.
    » Super, dann kann ich vorher noch ins Fitnessstudio, und du kannst dich fertig machen. Umziehen oder so.«
    Umziehen? Hatte ich eigentlich nicht vor. Soll das jetzt ein Hinweis darauf sein, dass es Brydon gefiele, wenn ich etwas anderes anziehen würde, oder war es nur männliche Ungeschicklichkeit? Nun kenne ich mich gar nicht mehr aus. Sind wir Freunde? Kollegen? Potenzielle Partner? Das wissen wir wohl beide nicht, doch wir haben großes Interesse dran, es herauszufinden.
    Auf jeden Fall bin ich froh, dass er mir gesagt hat, was ich machen soll. Um Punkt fünf verlasse ich das Büro und fahre nach Hause. Dort fühle ich mich komisch. Nicht richtig sicher, aber auch nicht so verletzlich wie nach Penrys Besuch. Ich öffne den Kühlschrank und bin überrascht, dass er voll ist. Ich hatte ganz vergessen, dass ich am Sonntag einkaufen war. Soll ich rauchen gehen? Lieber nicht. Dann gehe ich nach oben, um mir zu überlegen, was man zu einem Date

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