Totenklage
der Schranktür irgendetwas aufgefallen ist. Ein kleines Klickgeräusch beim Öffnen vielleicht, aber nichts Dramatisches. Aled Soundso hantiert pfeifend mit seinen Farbeimern.
Ein Gespräch wäre mir lieber als das Gepfeife, daher bringe ich ihm seinen Tee und bleibe stehen, damit er sich mit mir unterhält.
Das ist, als würde man ein Gespräch mit einem Mormonen anfangen oder einen Dschihadisten bitten, mal ordentlich vom Leder zu ziehen. Aled Soundso ist der König des Plauderns, der Muhammad Ali des belanglosen Geplappers. Er schwafelt ohne Zusammenhang drauflos, politische Kommentare und Fragen, die er gleich selbst beantwortet, strömen in einer schier endlosen Kaskade über seine Lippen. Ich sage so gut wie nichts und bewundere seine Small-Talk-Fähigkeiten.
Während er die Schranktür wieder befestigt, sagt er doch etwas, das meine Aufmerksamkeit erregt. Er hat sich gerade über die Jugendbanden in der Innenstadt echauffiert und kam von dort zum Thema Pistolen und Messer, bevor er – mit der charmanten Unbeständigkeit, die Leuten seines Schlages zu eigen ist – einen Monolog über die Überregulierung der Waffengesetze hält.
» Die Leute wollen das nicht, wissen Sie. Deswegen schießen diese Schützenvereine wie Pilze aus dem Boden. Illegal natürlich, aber wem sag ich das. Ich kenn da einen Bauern, der ’nen Schießstand aus seinem Stall gemacht hat. Nichts Großes, nur für Leute, die mal die Sau rauslassen wollen. Pistolen, Revolver und so, wie gesagt, nichts Großes. Oben in Llangattock. Einfach die A465 rauf und dann bei der Llangynidr Road abbiegen und erste Ausfahrt Richtung Llangattock. Die Scheune direkt auf dem Hügel. Ein großes weißes Gebäude. Wahrscheinlich sind da sogar Gehörschützer für die Schafe Vorschrift. Sicherheit geht ja vor.«
Dieses Motto nimmt er zum Anlass, das Gespräch wieder in eine völlig andere Richtung zu bringen. Jetzt geht es um den Gesundheits- und Sicherheitsfaschismus. Er macht einige abwertende Kommentare über die Regierung und die Stadtverwaltung. Es dauert nicht mehr lange, dann sind die Klebeflecken verschwunden und die Schranktür angeschraubt. Die Alarmanlage ist tipptopp in Ordnung, und Aled Soundso öffnet und schließt die restlichen Schränke und Schubladen, um sicherzugehen, dass sie ordnungsgemäß funktionieren.
» Alles in Butter«, sagt er und schmeißt eine Tür zu.
Er sucht seinen Kram zusammen und verschwindet. Ohne ihn ist es im Haus seltsam still. Aber ich fühle mich auch etwas sicherer, obwohl ich mir überhaupt keine Sorgen um die Funktionstüchtigkeit der Alarmanlage gemacht hatte.
Ich gehe nach oben, ziehe mich an und lege etwas Make-up auf. Das mache ich nur selten, wenn ich mir allerdings Mühe gebe, sehe ich ganz passabel aus. Nicht so toll wie Kay natürlich, die daraus eine Wissenschaft macht. Aber ist schon in Ordnung. Eine attraktive Frau, mehr will ich ja gar nicht sein. Und da mir das auch gelingt, verspüre ich eine zufriedene Erleichterung. Nein, ich bin mehr als erleichtert. Ich freue mich. Es gefällt mir. Es gefällt mir, wie ich heute Abend aussehe.
Um zehn nach sieben verlasse ich das Haus. Ich stecke ein Küchenmesser in die Handtasche, weil ich immer noch unterschwellig um meine Sicherheit besorgt bin. Natürlich nur ein kleines Messer. Die Handtasche passt zu meinem Kleid, ist mit silbernen Stickereien verziert und mit extravaganten Silberbügeln versehen, sodass ich nicht um meine Weiblichkeit fürchten muss. Ich komme gleichzeitig mit Brydon vor dem Weinlokal an.
» Himmel noch mal, Fi, du siehst ja umwerfend aus.«
Das hätte er in jedem Fall gesagt, denn Brydon ist ein wahrer Gentleman, aber sein Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass er mich nicht aus den Augen lässt, verraten mir, dass er es auch so meint.
» Sie aber auch, Mr B«, sage ich und gestatte ihm, mich ins Lokal zu führen.
Die ersten vierzig Minuten unserer Verabredung sind ehrlich gesagt ziemlich peinlich. Wir haben uns vorher wohl beide nicht richtig überlegt, ob es sich nun um ein Date handelt oder nicht. Oder, besser gesagt: Wir wissen natürlich, dass es ein Date ist, doch wir sind unschlüssig, wie wir von einer Freundschaft unter Kollegen zu einem intimeren Verhältnis wechseln sollen.
Nach vierzig anstrengenden Minuten verlangt Brydon plötzlich die Rechnung. » Gehen wir essen.«
Das Restaurant, das er ausgesucht hat, ist nur ein paar Minuten entfernt. Der Bute Park und unsere Büros sind auf der anderen Seite des
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