Totenklage
anzieht, das möglicherweise gar kein Date ist, als ich einen Lieferwagen höre.
Eine Welle der Angst überrollt mich.
Messer und Hammer sind unten. Ich hätte sie mitnehmen sollen. Die Vorhänge stehen offen. Ich hätte sie schließen sollen.
Ein Mann steigt aus dem Lieferwagen, geht zur Tür und klopft. Er sieht ganz normal aus. Könnte ein Klempner sein. Oder der Gasmann. Oder ein Lieferant.
Wie sehen Mörder denn aus? Wie hat wohl der Mann ausgesehen, der Stacey Edwards umgebracht hat?
Ich bewege mich nicht. Was soll ich tun? Der Mann klopft noch einmal. Das Geräusch hallt durch das stille Haus.
Dann geht der Mann zu seinem Lieferwagen zurück, schnappt sich ein Handy und wählt. Ich beobachte ihn, halte mich aber so weit vom Schlafzimmerfenster fern, dass er mich nicht sofort sehen kann.
Zum Glück ist das Fenster geöffnet. Nur einen Spaltbreit, um frische Luft reinzulassen. Der Spalt ist groß genug, um die Unterhaltung des Mannes mitzuhören. Nicht alles, aber genug. Er hat eine laute Stimme und will Mr Griffiths sprechen. Meinen Dad.
Die Angst lässt nach. Ich zittere noch, doch ich kann mich wieder bewegen. Mein Gehirn, das gerade noch wie betäubt war, kommt langsam auf Touren. Ich gehe nach unten, halte mich dabei an der Wand fest und öffne die Tür.
» Fiona Griffiths? Ihr Vater schickt mich. Ich soll mir mal die Alarmanlage und so angucken.«
Mein Dad kennt ganz Südwales. Wahrscheinlich steht der Großteil der Bevölkerung irgendwie auf seiner Gehaltsliste, aber die Beziehung, die mein Dad zu den meisten Leuten hat, ist trotzdem nicht nur rein geschäftlich. Es geht nie ums Geld. Wenn Tom Griffiths dich um etwas bittet, dann tust du es, weil du weißt, dass dieser Gefallen irgendwann erwidert wird. Über diese Mechanismen habe ich eigentlich nie so richtig nachgedacht. Es ist eben so. » Ihr Vater schickt mich.« Vier Worte, die bedeuten: Problem gelöst.
» Kommen Sie rein. Tut mir leid. Haben Sie geklopft? Ich war oben und wusste nicht …«
Eine lahme Ausrede, doch mehr braucht es ja nicht. Dem Mann (Aled – die Leute, die mein Dad schickt, haben üblicherweise nur Vornamen) ist es auch egal. Er öffnet die Konsole der Alarmanlage und bittet mich, den Code einzugeben, während er demonstrativ wegschaut, dann lässt er ein paar Tests laufen und überprüft die Verbindungen. Die ganze Zeit über redet er. Über die riesige Anlage, die er in einer Konservenfabrik in Newport installiert hat. Darüber, wie leichtfertig manche Leute mit ihrem Sicherheitscode umgehen. Über die Wichtigkeit regelmäßiger Wartung.
Das nervt mich. Ich habe keine Zeit, um rumzustehen und mit ihm zu plaudern. Ich will ausgehen. Dann kapiere ich, dass es ihm herzlich egal ist, ob jemand zuhört oder nicht. Ich entschuldige mich und gehe nach oben. Seltsamerweise fällt es mir leichter, mich auf mein Date vorzubereiten, wenn er unten herumwerkelt. Da laufe ich nicht Gefahr, mich in meinen Gedanken zu verlieren, und fälle meine Entscheidungen schneller und sicherer. Dieses Kleid (mitternachtsblau, von Monsoon, hübsch, aber nicht betulich). Diese Halskette (silberne und tiefschwarze Perlen, habe ich mir schon vor Ewigkeiten gekauft, aber nie getragen). Diese Schuhe (dunkelblauer Satin, Pfennigabsätze, trotzdem bequem zu tragen). Ich lege alles aufs Bett, wasche und föhne mir die Haare, obwohl sie danach fast so aussehen wie vorher. Aber zumindest brauche ich jetzt kein schlechtes Gewissen zu haben.
Ich will mich nicht aufbrezeln, solange Aled Soundso noch im Haus ist, daher gehe ich runter und sage ihm, er soll sich beeilen. Er hat die Alarmanlage überprüft und ist gerade dabei, die blaue Klebemasse an der Wand mit feiner Stahlwolle und Lackbenzin zu entfernen.
» Da muss ich noch mal drüberstreichen. Sonst sieht man’s.«
» Wollen Sie einen Tee?« Ich biete ihm Tee an, weil man Handwerkern eben etwas anbietet und Dads Kumpels so gerne Tee trinken wie jeder andere auch.
» Milch, kein Zucker, wenn Sie sowieso schon dabei sind. Ich hab die Schranktür in der Küche abgenommen.« Und tatsächlich, in meiner Küche liegt eine bis vor kurzem noch perfekt funktionierende Schranktür auf dem Boden. » Da musste ich das Scharnier nachziehen, haben Sie wahrscheinlich schon gemerkt. Ist nicht richtig aufgegangen. Das mach ich gleich fertig. Sie wollen los, oder?«
» Ja, in Kürze.«
Eigentlich habe ich es nicht eilig – es ist erst Viertel nach sechs –, daher mache ich Tee und frage mich dabei, ob mir an
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