Totenklage
Flusses. Er geht einen halben Schritt vor mir und so schnell, dass ich kaum mithalten kann. Er hat die Brust rausgestreckt und die Schultern zurückgenommen wie ein Soldat, der in die Schlacht zieht. So bereitet er sich wohl darauf vor, die Festung Fi im Sturm zu erobern. Ich bin gerührt, obwohl es mir lieber wäre, wenn interessierte Männer ein Date mit mir nicht als Kampfeinsatz betrachten würden. Schon möglich, dass ich im Weinlokal etwas reizbar war. Aber das liegt nicht in meiner Gewalt, so bin ich eben. Was nicht gerade von Vorteil ist, wenn es darum geht, meinen weiblichen Charme zur Schau zu stellen.
Ich nehme mir vor, mich zu bessern.
Sobald wir im Restaurant ankommen – ein schönes Lokal mit » moderner walisischer Küche«, wo ein Hauptgericht 15 Pfund kostet –, sage ich ihm, wie reizend ich es hier finde. Als wir uns an den Tisch setzen wollen, legen wir eine kleine komödiantische Einlage mit meinem Stuhl hin. Ich wollte ihn gerade hervorziehen, um mich draufzusetzen, als ich bemerkte, dass mir Brydon wie ein echter Gentleman zuvorkommen will, damit ich mich damenhaft und elegant platzieren kann. Da mir das zunächst nicht auffällt, zerren wir einen Augenblick lang beide am Stuhl, bis ich kapiere, dass ich mich danebenbenehme und so schnell wie möglich in einen eleganten, damenhaften Modus umschalte. Und dann – ich habe in solchen Dingen nicht viel Übung – versuche ich mich auch noch zu setzen, bevor er den Stuhl in Position gebracht hat. Schnell schiebt er ihn unter meinen Hintern, um die Katastrophe zu verhindern.
Brydon steht für einen Augenblick wie erstarrt da – es ist ihm ebenfalls peinlich –, dann fängt er an zu lachen. Ich lache mit ihm, und schon ist alles viel entspannter. Die grimmige Entschlossenheit fällt sichtbar von ihm ab. Ich lächle ihn an und sage ihm noch mal, wie reizend das Lokal ist. Ich lasse mich sogar zu einem Glas Weißwein breitschlagen. Ich verhalte mich genau wie nach einem Leitfaden für erste Dates, denn damit hat üblicherweise niemand ein Problem. Nur ich komme mir seltsam dabei vor.
Danach wird es zum Glück immer besser.
Der Leitfaden verlangt, dass ich meinem Gegenüber eine Frage über sich stelle. Über die Arbeit will ich nicht reden, und da ich sein Privatleben so gut wie nicht kenne, frage ich ihn über seine Armeezeit aus. Ein eher plumper Versuch. » Also, Dave, wie kommt’s, dass du mir noch nie etwas über deinen Wehrdienst erzählt hast? Wieso hast du dich verpflichtet?« Noch während ich das sage, komme ich mir wie ein schlechter Talkshowmoderator mit Selbstbräuner und idiotischem Grinsen vor. Aber es klappt. Der Leitfaden hat recht. Brydon erzählt mir von der Armee. Er hat sich 1998 bei den Fallschirmjägern beworben, wurde angenommen und fand sich ein Jahr später im Kosovokrieg wieder. Er ist sehr bescheiden und redet nur zurückhaltend darüber, aber ich könnte mir vorstellen, dass er daheim einen ganzen Schub voller Tapferkeitsmedaillen hat. Ein besserer Freund als ich wüsste das alles schon längst, und ich komme mir schäbig vor, weil ich das nicht schon früher in Erfahrung gebracht habe.
Daraufhin halte ich mich weiter sklavisch an den Leitfaden. Als die Vorspeise serviert wird, sage ich ihm, wie köstlich sie ist. Der Hauptgang ist wundervoll. Wir probieren gegenseitig von unseren Tellern. Brydon sagt mir noch mal, wie umwerfend ich aussehe. Ich vergesse nicht, in ausreichendem Maß zu lächeln.
Außerdem will ich Brydons Offenheit erwidern. Keine leichte Aufgabe für mich. Die eine Sache, die wohl jedermanns Neugier erweckt – meine zwei Jahre währende Krankheit –, ist tabu. Je weniger wir darüber reden, desto besser. Aber sonst tue ich mein Möglichstes. Ich erzähle ihm ein paar Schwänke aus Cambridge und rede über meine Familie. » Dein Dad ist doch inzwischen ein rechtschaffener Bürger, oder?«, fragt Brydon mit einem Grinsen, und ich weiche aus und erzähle ihm, dass Dad in Bristol einen neuen Club aufmachen will. Er fragt, ob ich noch ein Glas Wein möchte, doch ich lehne ab.
» Alkohol bekommt mir nicht so recht. Das ist jetzt nicht mehr so schlimm wie früher, aber ich will nichts riskieren.«
Wir reden kaum über die Arbeit, doch wir reden darüber, warum wir tun, was wir tun. Für Brydon war die Polizei der selbstverständliche nächste Schritt. Er hatte genug vom Soldatenleben. » Das lag nicht an der Gefahr. Aber irgendwann wird man zynisch, wenn man begreift, wie uns die Politiker für
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