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Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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mich für ihren Retter, doch ich war der Tod. Niemals werde ich ihre Gesichter vergessen, und die Hoffnung die darin zerschellte. Diese Erinnerungen quälen mich, und ich hasse es, dass ich so handeln musste, dass es keine Hoffnung gab.“
    „Es war Krieg, und es war eine dunkle Zeit“, seufzte Patryous. Entsetzen spiegelte sich in ihren Augen wider. „Unsere Handlungen waren grausam, und vielleicht war es sogar die Finsternis Strygars, die uns erst zu solchen Grausamkeiten trieb. Du musstest sie töten; manchmal ist der Tod gnädiger als das Leben. Wir konnten nicht überall zugleich sein, dafür hatten wir zu wenige Truppen. Die Strygarer hingegen waren überall. Und hatten wir in Durial noch das Überraschungsmoment auf unserer Seite, so waren sie in den anderen Städten auf uns vorbereitet. Und sie waren so listig, sie appellierten an unsere Moral, an unsere Güte, sie hatten die Kinder in ihresgleichen verwandelt und schickten sie gegen uns in den Kampf. Viele unserer menschlichen Verbündeten waren nicht fähig, sich auf so einen Feind einzustellen, sie schafften es nicht, ihre Waffen gegen Kinder zu erheben, und das wurde ihnen zum Verhängnis, denn jene Kinder waren längst keine Menschen mehr. Und Strygarer kennen keine Gnade. Ein jeder von uns hat Grauenvolles vollbracht, doch sind wir deswegen noch lange nicht Teil des Grauens, gegen das wir in den Krieg zogen. Ich habe über viele Jahrhunderte hinweg in vielen Kriegen gekämpft, Larkyen, doch was in Ken-Tunys geschah, war beispiellos. Sobald ich die Augen schließe, sehe ich oft jene Schlachtfelder vor mir, dann sehe ich die Fratzen der Strygarer, und wie diese Bestien in Bächen von Blut gebadet haben. Doch was geschehen ist, das ist geschehen. Wir dürfen nicht zulassen, das uns die Finsternis in unserem Inneren verschlingt.“
    Vielleicht war Larkyen längst von jener Finsternis verschlungen worden. Es fiel ihm deutlich leichter, Unschuldige zu töten als fr üher. Und er hatte sich so sehr an das Töten gewöhnt, dass ihm ein Leben im Krieg leichter fiel als ein Leben in Frieden. Töten war so leicht wie Atmen, es war etwas Selbstverständliches.
     
    Aus der Ferne ertönten quietschende Laute, und manchmal verwandelten sie sich in ein hohes schrilles Kreischen, das unablässig widerhallte. Etwas bewegte sich plätschernd durch das Wasser. Frontal näherte sich eine Flut struppiger kleiner Leiber.
    „Ratten, überall sind Ratten!“ keuchte Patryous.
    Und es begannen die umliegenden Wände zu knirschen. Kleinere Steine bröselten aus dem morschen Mauerwerk hervor. Durch die Lücken, die dabei entstanden, schoben sich die kleinen spitzen Köpfe weiterer Ratten. Und auch aus den Rohren, die in den Tunnel mündeten, strömten die Tiere mit schmutzigem Wasser heraus. Binnen weniger Atemzüge waren sie überall, und sie griffen an. Ihre Nagezähne gruben sich zu Dutzenden in das Fleisch der Unsterblichen. Es war der Schwarm, der ihnen ihre Gefährlichkeit verlieh, das Zusammenspiel von unzähligen kleinen Mäulern.
    Sie bedeckten Larkyens Nacken und Schultern, bissen sich fest und versuchten, sich wie im Blutrausch in das Innere seines Leibes hineinzufressen. Larkyen schüttelte sich wie ein wütender Bär. Wann immer er eines der Tiere zu fassen bekam, zerquetschte er es zw ischen seinen Fingern.
    Patryous erging es wie ihm, auch die Unsterbliche wurde ze rfleischt. Bei ihr hatten die Ratten sich auf die Kehle konzentriert. Ihre Halsschlagader war längst aufgerissen, unablässig sprudelte Blut heraus und ergoss sich in das schmutzige Kanalwasser.
    „Diese Ratten wurden zu uns gesandt“, keuchte die Unsterbliche. Blut rann ihren Mundwinkel herab. „Kein Tier würde uns jemals aus eigener Entscheidung angreifen.“
    „Meridias muss sie geschickt haben.“  Eine andere Erklärung gab es nicht. Alle Unsterblichen besaßen die Gabe, sich die Tiere der Wildnis zu Verbündeten zu machen. Auch Larkyen hatte sein Bewusstsein des öfteren mit dem eines Tieres vereinigt, um auf diese Weise ein Bündnis zu seinen Gunsten einzugehen. Er hatte Wölfe und Bären auf seine Feinde gehetzt, zugesehen wie sie zerrissen wurden. Und nun hatte ein noch älterer Unsterblicher ein gleiches Werk vollbracht, und Larkyen und Patryous gelang es nicht, diese Bedrohung abzuwenden. Möglicherweise war Meridias sogar in der Nähe und beobachtete das Treiben der Ratten. In ihrer Masse erinnerten sie Larkyen an die Velorkrieger. Hatte er einen Angreifer getötet, rückten

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