Totenkönig (German Edition)
erfahren, dass bei der Erbauung der Stadt viele unterirdische Quellen und Flüsse in ein riesiges Höhlensystem umgeleitet wurden, um einen verborgenen Ozean entstehen zu lassen. Schon damals gab es langandauernde Dürreperioden, und während der Sommer brannte die Sonne heiß. Der Plan war, den Meridianern nahezu unerschöpfliche Trinkwasservorräte zu bieten.“
„Keines Menschen Hand hätte so etwas vollbringen können. All diese steinernen Kanäle und Schächte können nur von den ältesten Unsterblichen erbaut worden sein. Wer weiß schon, wie viele ve rsteckte Spuren sie noch in der Welt hinterlassen haben.“
„Wie dem auch sei, ein Trinkwasservorrat von solchen Ausmaßen zeugt davon, dass der oder die Erbauer den Menschen dieser Stadt sehr wohlgesonnen waren.“
„Während wir gestern auf die Stadt zuritten, durchquerten wir lange Zeit eine heiße Steppe“, erinnerte sich Larkyen. „Der Boden war hart und staubig und eine Pein für unsere Pferde. Doch umso näher wir der Stadt kamen, desto grüner wurden die Gräser, desto weicher wurde das Erdreich. Wir sahen Wälder aufragen, Obstplantagen und fruchtbare Felder. Meridias ist wie eine grünende Oase, die größte Oase der Welt und der Mittelpunkt des zivilisierten Lebens.“
„Und dennoch verbirgt sich inmitten dieser Oase ein tyrannischer Rat. Wenn es uns gelingt, Zaira zurückzuholen, dann sollten wir das beenden, was du mit Granyrs Tötung begonnen hast. Wir sollten den Rat vernichten, wir sollten die Velorgilde vernichten, wir sollten sie alle vernichten.“
„Es war ein Genuss, Granyrs Lebenskraft zu nehmen. Mehrere Jahrhunderte durchströmten meinen Leib. Und eine solch große Schar von Feinden wird für uns wie ein Bankett sein. Doch bevor wir uns dem Rat und der Velorgilde widmen können, müssen wir zuvor den wahren Herrn der Stadt bezwingen.“
„Meridias“, seufzte Patryous. „Es gibt Unsterbliche, die behaupten würden, dass die Menschen ihre Angelegenheiten selbst erledigen sollten und dass sie einzig und allein geboren wurden, um uns zu dienen, sei es als Nahrung oder als Sklaven. Die meisten Unsterblichen würden sich nicht um diese Stadt scheren, umso mehr erfreut es mein Herz, dass du, Larkyen, noch immer anders denkst. Wenngleich du so viele Leben ausgelöscht hast, kennst du doch den hohen Wert eines sterblichen Lebens. Auch das ist eine Eigenschaft von dir, die längst legendär geworden ist.“
Khorgo sah Larkyen lange an, der Unsterbliche erwiderte den Blick. Larkyen konnte so vieles darin ablesen, Ehrfurcht, Freun dschaft, eine gewisse Verbundenheit, Stolz, jedoch auch Angst. Die Angst eines Menschen vor einem übermenschlichen Wesen.
„Ich kenne den Wert eines sterblichen Lebens, weil ich die Me nschen kenne“, sagte Larkyen. „Sie waren mir Gefährten in Abenteuern. Sie waren Freunde, Waffenbrüder, sie kämpften und bluteten an meiner Seite. Und nur zu oft starben sie auch. Das werde ich niemals vergessen. Jeder unter den Menschen ist für seine Taten selbst verantwortlich, doch manchmal gibt es Situationen, in denen sie durch Bedrohung ihres Lebens gezwungen sind, sich dem Willen anderer zu beugen. So geschieht es derzeit im Lande Majunay, und nichts anderes geschieht in der Stadt Meridias. Der Rat hat mit Meridias` Unterstützung über Jahrhunderte hinweg eine pervertierte Ordnung erschaffen, in der die Menschen in Furcht leben und selbst ihren eigenen Familienangehörigen misstrauen. Ja, Patryous, Meridias, der Rat und die Velorgilde verdienen den Tod!“
Kapitel 8 – Der Schöpfer
„Dieser Teil der Unterwelt ist auf Lemars Karte nicht mehr ausführlich aufgeführt“, sagte Larkyen. „Es soll jedoch noch einen Gang am Rande des Wasserbeckens geben.“
Patryous deutete in die Ferne, wo die gemauerten Wände in natü rlichem Felsgestein endeten und wo sich zumindest für die Augen der beiden Unsterblichen eine breite Nische auftat. Für Khorgo befand sich außerhalb des Fackelscheins tiefste undurchdringliche Finsternis.
Am Rande des Wasserbeckens führte ein Weg entlang, nicht bre iter als ein Sims.
Larkyen ging seinen Gefährten voran, es fiel ihm leicht, das Gleic hgewicht zu halten, während sich Khorgo langsam an der Wand entlang tasten musste. Patryous übernahm die Nachhut, immer wieder sah die Unsterbliche hinter sich, um sicherzugehen, dass ihnen wider Erwarten niemand gefolgt war.
Das Gestein unter Larkyens Stiefeln knirschte plötzlich. Ein ga nzes Stück brach weg, der Unsterbliche
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