Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
Vom Netzwerk:
Sonne waren stets undurchsichtig. Sie sind so alt, dass sie die Welt mit a nderen Augen betrachten, ebenso die Menschen und auch all jene Unsterblichen, die nach ihnen kamen.“
     
    Die Karte, die Lemar ihnen gegeben hatte, erwies sich als sehr hilfreich. Zu oft gelangten sie an Weggabelungen und Kreuzungen, sowie an Brücken, die über weitere Wasserläufe hinwegführten. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätten sie sich als Fremde in dieser Unterwelt verlaufen. Den ältesten Teil der Kanalisation vermutete Larkyen als Versteck des Riesen. Das Gestein der Mauern sah immer älter aus, je mehr sie in diese Region vordrangen. Manchmal war es durch die jahrhundertlange Feuchtigkeit längst brüchig geworden. Das Wasser in dem Kanaltunnel vor ihnen war nur knöchelhoch und mit Schlamm durchsetzt. Eine ganze Weile herrschte Stille zwischen ihnen. Larkyen entgingen Patryous` Blicke nicht, wieder einmal zeigten sie ihre Sorge um ihn.
    „Du verfällst wieder in diese Schweigsamkeit, der ich dich nur ungern überlasse“, sagte sie. „Deine Gedanken sind zu düster – liegt es an der Dunkelheit der Kanäle? Erinnert dich die Finsternis an den Krieg im Westen?“
    „Es ist die Finsternis in meinem Inneren“, sagte Larkyen. „Und die Taten, die sie verbirgt.“
    „Also denkst du an den Krieg zurück? Wie so oft.“
    „Ja.“
    „Wir alle brachten einen Teil der Finsternis aus dem Krieg mit und müssen fortan damit leben. Doch wir können diese Finsternis mitei nander teilen und hoffen, dass sie unsere Gedanken nicht länger verdunkelt.“
    Larkyen sah ihr in die Augen, diese wunderschönen Augen. Erst nach einem weiteren Moment des Schweigens begann er zu ihr zu sprechen: „Es geschah während unseres ersten Jahres in Ken-Tunys. Wir griffen die Stadt Eisenburg von mehreren Seiten aus an. Für mich ist es, als wäre es erst gestern geschehen. Der Stosstrupp der Kyaslaner widmete sich dem südlichen Nebentor, dein Angriff e rfolgte mit vierzigtausend Soldaten des Totenheers aus westlicher Richtung, ich führte die Werwölfe Kentars von Norden aus durch das Haupttor. Die Geister der Kentaren kämpften gut, es gab kaum nennenswerten Widerstand. Zu Beginn unseres Einmarschs stießen wir auf keine Überlebenden, genau wie in Durial. Doch dann traf ich bei den Kornspeichern im Norden der Stadt auf etwa dreihundert Menschen, die sich dort vor den Strygarern versteckt hielten. Männer, Frauen und Kinder, sie waren überglücklich mich zu sehen, in ihren Gesichtern zeichnete sich Erleichterung ab. Sie alle glaubten, ich sei ihr Retter. Doch meine Stellung wurde von den Strygarern vollständig eingeschlossen. Von allen Seiten näherten sie sich zu Abertausenden. Sie durchbrachen selbst die Reihen des Totenheers. Ich wusste, dass ich diese Menschen nicht vor den Strygarern retten konnte. Die Bestien hatten längst Menschenblut gewittert, und ihre Bisse hätten diese Überlebenden in Strygarer verwandelt – dreihundert neue Feinde, die wir hätten bekämpfen müssen. Oh, es war so mühselig gegen diese Bestien zu kämpfen. Also gab ich meinem Totenheer den Befehl, alle Überlebenden umzubringen. Die zu fliehen versuchten, tötete ich selbst. Es gab viele Kinder, unter ihnen war dieser kleine Junge mit rotblondem Haar, und mit Sommersprossen; seine Augen waren so blau wie einst der Himmel über Ken-Tunys. Er hatte nur wenige Sommer und Winter erlebt. Er lief nicht vor mir davon, sondern kam direkt auf mich zu mit kleinen tapsigen Schritten und sagte mir, meine Augen seien die eines Wolfs seien und würden schimmern wie die Sterne des Himmels. Kinder sind unschuldig, sie verstehen nichts von der Härte und Grausamkeit des Lebens, sie verstehen nicht, was Tod bedeutet, und sie verstehen erst recht nichts vom Krieg. Für sie sind wir jene Wesen, von denen ihnen ihre Mütter vor dem Einschlafen Geschichten erzählt haben. Wir sind Götter, Helden, große Krieger, wunderschön anzusehen und so edel und tapfer, doch wissen sie nicht, dass wir Leben fressen. Das Kind nahm meine Hand, es bewunderte mein Schwert, musterte die schwarze Klinge, während die Strygarer immer näher kamen und den Gestank von Moder und Blut mit sich brachten. Ich war gnädig, gnädiger als die Strygarer zu ihm gewesen wären. Es war wie ein einziger tiefer Atemzug, dann hatte ich sein Leben auch schon aus ihm gerissen und ihm das weitere Grauen des Krieges erspart. Niemand sollte überleben! Du hättest den Ausdruck in ihren Gesichtern sehen müssen. Sie hielten

Weitere Kostenlose Bücher