Totenkönig (German Edition)
mehrere an dessen Stelle.
Immer wieder schlugen die Unsterblichen nach den Ratten, wä hrend sie sich weiterhin vorwärts bewegten. Ein Rückzug stand nicht zur Debatte, darüber waren sie sich einig.
Larkyens Haut war an Nacken und Händen längst abgefressen. Er fühlte, wie die feuchte Kanalluft auf seinen freigelegten Nerven pr ickelte. Seine Selbstheilungskräfte arbeiteten verzweifelt gegen die unzähligen schnappenden Mäuler, vermochten jedoch die Wunden nicht sofort zu schließen. Wuchs irgendwo Haut oder ein Fleischsstrang nach, begannen die Ratten augenblicklich daran zu nagen. Auf lange Sicht würde der Unsterbliche diesen Kampf verlieren, und selbst sein Schwert würde ihm bei dieser Bedrohung nichts nützen. Er begann sich zu fragen, ob er auch auf diese Weise endgültig sterben könnte. Gefressen, vom Angesicht der Welt getilgt durch die Mäuler unzähliger Ratten. Oder ob sich selbst seine nackten Knochen noch fortbewegen konnten?
Patryous bewegte sich auf ihren Speer gestützt vorwärts. Ihre Beine waren zerfleischt, und offene Muskelstränge arbeiteten bei j edem Schritt. Die Finger ihrer linken Hand hatten ihr die Ratten geraubt; lediglich einige blutige Stümpfe, aus denen feuchtglänzende Knochen emporzuwachsen drohten, waren noch übrig.
Mittlerweile konnte Larkyen ein Phänomen unter den Ratten be obachten. Als wären sie in einen Blutrausch verfallen, begannen immer mehr Tiere, sich gegenseitig zu zerfleischen. Ihr niederster Trieb zu fressen war außer Kontrolle geraten, und sie gierten nach warmem Fleisch, völlig gleich von wem es stammte.
Irgendwo hinter sich hörte er schwere Schritte von Stiefeln. Als er sich umdrehte, sah er den Schein zweier Fackeln. Der Lichtschein näherte sich rasch. Larkyen sah den Krieger, der sich näherte, nun ganz deutlich, sah sein Gesicht. Es war Khorgo. Der Majunay ächzte bei fast jedem Schritt, verzog das Gesicht durch die Schmerzen se iner Verletzungen aus beiden Kämpfen. In jeder Hand hielt er eine Fackel und schlug damit nach den Ratten. Vor dem Feuer wichen die Ratten zurück wie Strygarer vor dem Licht der Sonne.
Der Angriff auf Larkyen und Patryous kam für einen Moment zum Erliegen.
„Ihr seht entsetzlich aus“, flüsterte Khorgo, an Larkyen und Patryous gerichtet. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er die vielen Wunden, das nackte Fleisch und die freigelegten Knochen der beiden Unsterblichen.
„Khorgo, du bist ein Narr“, grummelte Larkyen. „Du solltest doch bei der Schattengilde bleiben.“
„Ich habe das Gefühl, ich fand euch gerade im rechten Moment.“
„Jetzt gibt es kein Zurück mehr!“ rief Larkyen. Der Unsterbliche wies den Majunay zwischen sich und Patryous. Noch immer wollten sie nicht umkehren, sondern gingen weiter mit Khorgo im Schein zweier Fackeln vorwärts. Die Wunden der Unsterblichen konnten nun ungehindert heilen. Solange sie sich im Licht bewegten, wichen die Ratten zurück, in Scharen kreisten sie um Larkyen, Khorgo und Patryous.
Für einen Moment sah Larkyen den Majunay aus nächster Nähe an, die Augen des Unsterblichen funkelten, seine Augenbrauen waren in seiner Wut zusammengezogen.
„Ich weiß, es geht um deine Tochter“, sagte Larkyen. „Dennoch hä ttest du uns nicht folgen dürfen.“
„Eine Weile nachdem ihr uns verlassen habt, fand ich meine Kraft wieder. Ein Krug Wein und Trockenfleisch haben meine Sinne b elebt. Ich nahm mir eine Karte der Kanäle und Tunnels sowie fünf Fackeln, dann ging ich los. Durch die Laute der Ratten wurde ich auf euch aufmerksam, dieses Quieken war unüberhörbar. Du hattest wohl gedacht, du könntest den ganzen Spaß für dich allein haben.“
„Du meinst, den ganzen Spaß dich durch die Kanäle zu tragen, weil du vor Erschöpfung zusammenbrichst? Seit deiner Ankunft in dieser Stadt wurdest du in zwei Kämpfe verwickelt und dabei zwei Mal verwundet.“
„Ich werde es schon schaffen, mit dir Schritt zu halten.“
„Verdammt, Khorgo. Es ist zu gefährlich. Wir werden einem mäc htigen Feind gegenüberstehen.“
„Ich habe so vielen mächtigen Feinden gegenübergestanden.“
„Du alter Sturkopf! Aber wenn du schon so erpicht darauf bist, durch endlose, mit Abwasser gefüllte Tunnels zu wandern, dann erfreut es mich zumindest, dass du dabei meine Nähe suchst. Ein Schwert mehr kann uns durchaus von Nutzen sein.“
Khorgo nickte Larkyen zu. „Danke“, sagte der Majunay.
Noch lange würden sie dieses Meer pelziger kleiner Leiber durc hqueren
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