Totenkönig (German Edition)
müssen, und nur das Feuer ihrer Fackeln vermochte seine Fluten im Zaum zu halten. Die quiekenden Laute waren längst allgegenwärtig geworden, nur zu deutlich hallten sie in der Ferne wider.
Aus einem Nebentunnel drang ebenfalls deutlicher Fackelschein, Stimmen von vielen Männern erklangen. Jene, die sich näherten, ve rsuchten gar nicht erst sich zu verbergen. Sie genossen die Sicherheit in einer größeren Gruppe zu sein. Larkyen sah Schwerter und Äxte aufblitzen, mit Kanaldreck beschmierte Rüstungen und die zu Totenköpfen geschminkten Gesichter der Velorkrieger.
Die Velors hatten die Unsterblichen und Khorgo nun ebenfalls ges ehen. Nur die Scharen von Ratten trennten sie noch voneinander.
„Ihr Bastarde“, knurrte Khorgo. „Kommt nur, meine Klinge freut sich schon auf euch.“
Larkyen schüttelte den Kopf. „Kein Kampf!“
Der Unsterbliche atmete lange und tief ein, seine Lunge füllte sich mit Luft, seine breite Brust hob sich. Dann blies er den Velors einen Windstoß entgegen, der ihre vordersten Fackeln löschte.
Und mit der plötzlichen Dunkelheit brachen die Ratten als eine unaufhaltsame Flut über die Krieger der Velorgilde herein. Nagezähne gruben sich in weiche Menschenhaut, Schreie erklangen, vermischten sich mit dem hässlichen Quieken der Ratten.
Larkyen roch ihr Blut und ging mit seinen Gefährten weiter. Ohne sich noch einmal umdrehen zu müssen konnte er sicher sein, dass er diesen Feinden nicht mehr gegenübertreten würde. Das Knirschen von Nagezähnen, die über nackte Knochen schabten, gab ihm recht.
Im weiteren Verlauf des Weges nahm der Wasserstand in dem Tu nnel ab. Der Boden war jetzt weniger feucht und schlammig, dafür umso unebener durch rissiges Gestein.
„Oh Larkyen“, seufzte Khorgo. „Soeben musste ich wieder daran denken, ob Zaira möglicherweise schon …“ Er wagte nicht weiterz usprechen.
„Sie ist am Leben“, sagte Larkyen.
„Woher willst du das wissen?“
„Nenne es eine Ahnung, nenne es Hoffnung.“
Khorgo nickte. „Ja“, flüsterte er. „Hoffnung.“
Larkyen hatte seinen Freund noch nie zuvor ähnlich verletzbar e rlebt. Khorgo hatte seine Narben und Wunden aus vielen Kämpfen eher gelassen zur Kenntnis genommen, doch die Entführung seine Tochter durch die Hand eines Unsterblichen hatte ihn verheerender getroffen als die schärfste Klinge.
Sie blieben stehen. Vor ihnen lag die gähnende Leere eines Schachts, dessen Grund selbst für die Augen von Larkyen und Patr yous nicht mehr zu sehen war.
„Laut Lemars Karte müssen wir immer noch weiter“, sagte La rkyen. Nach einem Blick auf seine eigene Karte bestätigte Khorgo nickend.
Larkyen sprang aus dem Stand zuerst über den Schacht hinweg, dann folgte Khorgo. Der Majunay nahm einen erheblichen Anlauf. Seine Beine waren müde, er erreichte längst nicht die Geschwindi gkeit, die er benötigte. Noch während Khorgo sprang, erkannte Larkyen, dass der Majunay in die Tiefe stürzen würde. Er strecke seine Hand aus, ergriff den Körper seines Gefährten und zog ihn auf die andere Seite.
„Danke“, keuchte Khorgo. Der alte Krieger lächelte bescheiden, während er nach Luft rang.
Patryous sah noch einmal in den Tunnel zurück, bevor sie ihnen folgte.
Larkyen bemerkte, dass jeglicher Modergestank verschwunden war, als hätten sie eine unsichtbare Grenze überquert. Sie mussten nur durch einen Torbogen gehen, da erstreckte sich vor ihnen ein weites Wasserbecken von achteckiger Form. Die Luft an diesem Ort war kalt und feucht, jedoch auch rein. Lautes Plätschern und Rauschen erklang in einer nie gehörten melodischen Symphonie. Von allen Seiten flossen aus Kanälen und Rohrschächten klare Wasserströme hinein und bildeten in der Mitte des Beckens einen nicht endenwollenden Strudel, der von gewaltiger Kraft zeugte. Wer auch immer in dieses Becken fiel, den nahm das Wasser mit sich hinab in die Tiefe.
„Wir haben die Halle der tausend Ströme erreicht. Dieser Ort sieht genau so aus, wie Lemar ihn beschrieben hat. Demnach befinden wir uns im ältesten Teil der Kanalisation. Weit über uns liegen das Stad tzentrum und die Pyramide.“
Patryous beugte sich vorsichtig über den Rand und hielt ihre Hand in das Wasser. An ihrem Unterarm brach sich die Strömung. Sie führte einen Finger an die Lippen. „Trinkwasser“, stellte sie fest. „So sauber wie aus dem tiefsten Brunnen. Nicht alle Teile dieser U nterwelt dienen dazu, den Dreck der Menschen verschwinden zu lassen. Ich habe einst
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