Totenkönig (German Edition)
fuhr herum, er sah die riesige fahle Gestalt, die auf ihn zuraste. Noch ehe er sein Schwert ziehen konnte, umklammerten ihn die langen Finger zweier Hände und wirkten mit einer Kraft auf ihn ein, die einen Menschenleib binnen eines einzigen Atemzuges zermalmt hätte.
„Larkyen!“ Die Stimme des Erbauers der ältesten Stadt der Welt war mehr ein Zischen als ein Sprechen. Der heiße Atem blies Lark yen entgegen. Unfähig sich zu befreien, wurde er emporgehoben, dem Antlitz des Sohnes der ersten schwarzen Sonne entgegen.
Animalische Gesichtszüge waren in einen Kopf mit breiten Wa ngenknochen und niedriger Stirn gemeißelt, wie es bei den Ältesten oftmals der Fall war. Dennoch sah Meridias anders aus als alle Unsterblichen, denen Larkyen bisher begegnet war. Ihre Leiber zeugten für gewöhnlich von einzigartiger Beständigkeit, es gab keinerlei Narben, keinerlei Alterung, keinerlei Veränderungen. Meridias` Körper jedoch wies deutliche Anzeichen von Veränderungen auf, wohl als Folge einer Art Anpassung an den unterirdischen feuchten Lebensraum. Die Augen standen weit vor, die raubtierartige Pupille war in einer milchig trüben Masse verschwunden, offenbar nahm er seine dunkle Umgebung längst anders wahr. Die Ohren hatten sich zu knorpeligen Löchern zurückgebildet. Die Hände waren größer geworden und flossengleich, ebenso wie die Zehen. Dennoch waren an ihren Enden auch lange spitze Krallen vorhanden. Er war nackt, seine Haut völlig glatt und porenlos, ähnlich der eines Wals.
Larkyen roch Blut, das Blut des Unsterblichen. Die Schulterwu nde, die Meridias von Patryous` schwarzem Speer empfangen hatte, blutete noch immer leicht. Mit Gewissheit hatte er in Hunderten von Jahren Hunderte von Verwundungen erlitten, durch Waffen, die längst verrostet waren, und alle waren sie binnen weniger Atemzüge verheilt. Doch diese Wunde würde sich nicht so schnell schließen. Im Angesicht der Runenmacht des schwarzen Stahls konnten selbst Unsterbliche zu Sterblichen werden. Meridias schenkte seiner Verletzung keinerlei Aufmerksamkeit.
„Was hast du hier zu suchen?“ fragte der Sohn der ersten schwa rzen Sonne. Durch seine Zischlaute erklangen jene Worte beinahe wie in einer fremdartigen Sprache ausgesprochen.
„Ich bin wegen der Frau hier.“
„Ich habe schon erwartet, dass du früher oder später hierher findest. Meine Ratten haben dein Fleisch gekostet, doch war es dir keine Warnung. Was schert dich diese Frau? Sie ist sterblich, nur Futter für jemanden wie dich.“
„Du irrst dich, sie ist mehr. Ich bin hierhergekommen, um sie z urückzuholen.“
„Diese Frau gehört mir, und sie wird hier unten bleiben!“
„Das kann ich nicht zulassen.“
„Ein junger Unsterblicher will sich mir widersetzen. Wisse, dass ich schon auf dieser Welt wanderte, lange bevor dich die dritte schwarze Sonne erschuf. Weißt du denn nicht wer ich bin?“
„Ich kenne deinen Namen, Sohn der ersten schwarzen Sonne. Und lange Zeit glaubte ich, der Kriegsgott Nordar sei der letzte der Ältesten gewesen.“
„Dann hast du dich geirrt, so wie viele andere von euch. Aus den Augen bedeutet nicht zwangsweise aus dem Sinn. Ich zog es ledi glich vor, mich vor der Welt zu verbergen.“
„Und doch treffen wir aufeinander wie Feuer und Wasser.“
„Feuer und Wasser sind Feinde, junger Unsterblicher. Sind wir tatsächlich Feinde?“
„Das hängt von deiner Entscheidung ab, ob du die Frau freilässt oder nicht.“
Meridias lachte, seine Mundwinkel formten sich zu einem grimassenhaften Grinsen. „Dann will ich meinen Feind noch besser kennenlernen. Larkyen, Totenkönig. Deinen Namen kenne ich bereits.“
„Dann weißt du auch, dass ich dir und deiner Stadt einen Sturm bri ngen kann, wie ihr ihn nie zuvor erlebt habt.“
„Das Totenheer“, zischte Meridias. „Mein Rat brachte mir Kunde von deinen Soldaten. Doch es heißt, das Totenheer sei in weiter Fe rne an der Grenze zur Finsternis stationiert.“
„Wo immer ich es wünsche, wird das Totenheer Position bezi ehen. Und auf meinen Befehl hin werden meine Soldaten angreifen, in ihren Händen harrt der schwarze Stahl aus den Strygarerschmieden von Oklanstadt und Eisenburg.“
„Drohst du meiner Stadt mit Krieg?“
„Ich habe in den letzten Jahren genug Blut vergossen, aber welche Wahl lassen mir meine Feinde schon?“
„Du hast Granyr getötet, der oberste Ratsherr war nicht dein Feind.“
„Granyr war ein jämmerlicher Wurm, der von mir zerquetscht wurde.“
Meridias
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