Totenkopf-TV
fahlvioletten Schein abgab und im nächsten Moment verschwunden war.
Gina bekam dies als Zeugin mit. Sie wollte es kaum glauben, aber der Geist war durch den Mund des Mannes in dessen Körper hineingetaucht. Beckman drehte eine Sekunde später durch.
Wahrscheinlich konnte er nicht einmal etwas dafür, denn das Gespenst diktierte sein Handeln.
Der Aufnahmeleiter riss die Arme hoch. Auf der Stelle drehte er sich, wurde zu einem menschlichen Kreisel, die Zentrifugalkraft schleuderte seine Arme vom Körper weg, so dass sie in einer waagerechten Haltung blieben, und die Geschwindigkeit steigerte sich noch weiter. Das konnte kein Mensch aushalten. Auch Beckman nicht. Er war es nicht, der fürchterlich heulte, obwohl die Laute aus seinem Mund drangen. Es war das Schreien des Gespensts, und es machte mit seinem Opfer, was es wollte.
Beckman hob ab. Auf einmal hatte er keinen Kontakt mit dem Boden mehr. Er schwebte in die Höhe, wurde schneller und schneller, erreichte die Decke und…
Gina senkte den Blick. Sie konnte es nicht mehr mit ansehen. Das Schreien verstummte. Es hatte auch den dumpfen Laut überdeckt, der bei dem Zusammenprall aufgeklungen war.
»Das darf nicht wahr sein!« flüsterte das Mädchen. »Verdammt, das ist doch der reine Horror…«
Auch sie konnte die Augen nicht länger geschlossen halten, öffnete sie und sah vor sich den Aufnahmeleiter liegen.
Beinahe berührte seine zur Seite geknickte Hand noch ihre Fußspitzen. Aber sie würde sich nie mehr regen können, denn der Mann auf dem Boden war tot. Er hatte sich das Genick gebrochen. Es war der erste Tote, den Gina bewusst sah. Sie trat einen Schritt zurück, hob den Arm und presste ihre Hand gegen die Lippen. Dabei schüttelte sie den Kopf. Dumpfe Laute drangen aus ihrem Mund, während sich die Augen mit Tränen füllten.
Den Geist sah sie einen Moment später.
Da jagte er als fahler Streifen aus dem weit aufgerissenen Mund des Toten in die Höhe, erreichte die Decke, nahm dort seine »normale«
Gestalt an und huschte weiter. Suchte er ein neues Ziel? Gina wusste es nicht. Sie starrte ihn an, dann schaute sie nach links, sah den Portier hinter einer Säule stehen und hörte das heulende Pfeifen des Geistes.
Abermals war er gedankenschnell. Gina warf sich zu Boden. Sie presste die Lippen fest zusammen, denn sie hatte Angst, dass der Geist mit ihr das gleiche vorhatte wie mit Ross Beckman, er huschte aber vorbei, und Gina spürte nur mehr den Eishauch, der wie ein Gruß aus dem Polargebiet ihren Nacken streifte.
Dann war das Gespenst weg!
Das Mädchen blieb liegen. Es konnte sich jetzt einfach nicht bewegen und musste in der Haltung bleiben. Doch als Gina die Augen öffnete, begann sie zu schreien, da sie dicht vor sich das Gesicht des toten Ross Beckman erkannte. Ein schiefstehender Kopf, gebrochene Augen… Sie schrie und schrie, bis kräftige Hände sie packten und in die Höhe rissen. Es war der Portier! »Hör auf, verdammt!«
Sie schrie weiter und bekam einen Hieb gegen die Wange. Die Haut brannte dort wie Feuer. Ihr Schrei erstarb, sie schaute in das schweißnasse Gesicht des Mannes, in dessen Augen ein wildes Fieber leuchtete. War auch er besessen?
Gina wollte sie zurückdrücken, aber die kräftigen Hände des Mannes hielten sie fest.
»Wir müssen zusammenhalten!« fuhr er sie an. »Uns hat es nicht erwischt, verstehst du? Uns nicht!«
Sie nickte nur.
»Okay«, sagte der Portier. »Die vier Geister sind weg. Verschwunden, abgehauen, haben sich verteilt.« Er lachte kratzig. »Ist ja auch Platz genug, wie?«
»Aber wo…« Gina setzte noch einmal an. »Aber wo sind die Kollegen hin? Ich… ich sehe sie nicht mehr.«
»Auch verschwunden!« Der Portier keuchte. »Wir sind allein mit einem Toten hier.«
Gina sprach automatisch, ohne nachzudenken. »Werden die Gespenster dann in die Körper der anderen hineinjagen?«
»Davon können wir ausgehen!«
Das Mädchen erschrak noch heftiger. »Und was machen wir? Verdammt, was machen wir?«
Der Portier schlug ein Kreuzzeichen und wurde bleich. »Das ist alles, was wir tun können…«
***
Wenn John Sinclair sich einmal zu einer Sache entschlossen hatte, war er nicht davon abzubringen, das wusste auch Bill Conolly. Deshalb hatte es keinen Sinn, hinter dem Geisterjäger herzugehen und zu versuchen, ihn zurückzuholen. Bill musste seinen eigenen Weg gehen, denn er hatte eine andere Aufgabe übernommen.
Dass sich der Gefahrenherd nicht allein hinter der Garderobentür befand, konnte
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