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Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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Jahren.«
    »Macht Sinn«, stimmte Garcia ihr zu, nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte.
    Hunter kontrollierte die Ausleihdaten der Bücher, bevor er eine Seite zurückblätterte.
    »Für die vertiefenden Medizinbücher gibt es keine Ausleihdaten«, sagte Alice, die ahnte, wonach Hunter suchte. »Aus dem ganz einfachen Grund, dass sie zunächst gar nicht in der Bibliothek vorhanden waren. Die Gefängnisleitung hat sie extra für Sands angeschafft, damit der sein Studium erfolgreich abschließen kann. Er hat sie zum persönlichen Gebrauch angefordert und durfte sie bis zum Examen in seiner Zelle behalten. Nach seiner Entlassung sind die Bücher dann in den Besitz der Bibliothek übergegangen. Und falls ihr euch noch an meinen vorherigen Bericht erinnert: Er hat beide Fernstudiengänge erst nach Ortegas Hinrichtung angefangen.«
    Hunter fuhr in seinem Studium der Liste fort.
    Alice folgte noch immer seinem Blick. »Die nächsten Bücher sind alle über Psychologie – sein zweiter Studiengang. Auch die waren ein Zugeständnis des Gefängnisdirektors an Sands. Ein Buch ist mir ganz besonders ins Auge gesprungen. Ich hatte vorher noch gar nicht daran gedacht, bis ich es dann gesehen habe.«
    Hunters Blick blieb in der Mitte der Seite hängen. Alice wusste, dass er es gefunden hatte.

66
    Garcia, der neben Hunter stand, las, so schnell er konnte. Ihm fiel nichts Besonderes auf. »Okay, was übersehe ich hier?«
    Hunter tippte mit dem Finger auf einen Titel – Grundlagen der Rorschach-Interpretation.
    Garcia verzog das Gesicht. »Entschuldigt meine dämliche Frage, aber was ist Rorschach?«
    »Hermann Rorschach war ein Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker«, dozierte Hunter. »Ein Freudianer. In erster Linie ist er als Entwickler eines projektiven Testverfahrens bekannt – des nach ihm benannten Rorschach-Formdeuteversuchs beziehungsweise Tintenkleckstests.«
    Man konnte fast hören, wie Garcia nachdachte. »Verdammte Axt. Ist das nicht dieser bizarre Test, bei dem man ein weißes Blatt mit einem Tintenklecks gezeigt bekommt und sagen muss, was man sieht? Ein bisschen so, wie wenn man Wolkenformen deutet?«
    »Kurz zusammengefasst, ist das das Prinzip des Tests, ja«, bestätigte Hunter.
    »Und nicht ganz so kurz zusammengefasst, ist das Prinzip des Tests welches?«, hakte Garcia nach.
    Hunter ließ die Liste auf seinem Schreibtisch liegen und lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten. »Der offizielle Test besteht aus zehn Tafeln mit Tintenklecksen. Jeder Tintenklecks ist nahezu perfekt achsensymmetrisch. Fünf Tintenkleckse sind schwarz, zwei sind rot-schwarz und drei sind bunt. Im Laufe der Jahre haben Psychologen den Test immer weiter verändert und eigene Tafeln mit Tintenklecksen entworfen. Manche haben dabei die ursprüngliche Symmetrie der Kleckse auch vollständig aufgegeben.«
    »Okay, aber wozu soll der Test dienen? Was genau wird dabei getestet?«
    Hunter neigte den Kopf zur Seite, als sei die Frage nicht so leicht zu beantworten. »Der Test soll eine ganze Palette von Persönlichkeitsmerkmalen und psychischen Störungen abfragen, wie zum Beispiel geringes Selbstwertgefühl, Depressionen, mangelhaft ausgebildete Bewältigungsmechanismen, Problemlösungs-Defizite …« Er machte eine Geste mit der Hand, um anzudeuten, dass die Aufzählung noch weiterging. »Im Wesentlichen versucht der Test, die geistige Verfassung und Soziabilität einer Person festzustellen.«
    »Anhand von Tintenklecksen?«, fragte Garcia.
    Hunter hob die Schultern und nickte. Er konnte die Skepsis seines Partners sehr gut nachvollziehen.
    »Ja, aber lasst doch mal kurz außer Acht, was der Test abfragen soll«, schaltete sich Alice ein, »und denkt stattdessen an unseren Fall. Die Schattenbilder könnte man doch als Sands’ ganz persönlichen Rorschach-Test interpretieren.«
    Hunter schüttelte energisch den Kopf. »Der Täter will uns testen, das steht fest, aber nicht mit Tintenklecksen.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    »Carlos hat es eben schon auf den Punkt gebracht. Die Tintenkleckse sind genau das: Kleckse ohne erkennbare Form. Aber was unser Täter uns hinterlassen hat, ist in seiner Form ganz klar zu erkennen. Beim ersten Mal waren es ein Kojote und ein Rabe, und obwohl wir uns über die Bedeutung des zweiten Bildes noch nicht einig sind, ist es definitiv nicht bloß ein formloser Fleck.«
    »Okay, geschenkt. Trotzdem kommt es aber doch auf die Interpretation an, oder? Darauf, was wir zu sehen glauben

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