Totenkünstler (German Edition)
Monaten angenommen hat, wie oft sie zu ihm gekommen sind und wer sie waren.«
Sheryl zögerte. »Ich kann die Namen nicht rausgeben. Das sind vertrauliche Informationen.«
»Sie sind eine ganz hervorragende Bürokraft, Ms Sellers«, sagte Hunter mit ruhiger Stimme. »Und ich weiß genau, was Sie meinen. Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin selbst Psychologe. Ich kenne die berufsethischen Grundsätze und weiß, was sie bedeuten. Das, worum ich Sie bitte, widerspricht diesen Grundsätzen nicht. Sie werden auf keinen Fall Dr. Littlewoods Vertrauen missbrauchen. Die Vorgänge innerhalb der Sitzungen sind vertraulich, und darum geht es uns auch gar nicht. Ich muss lediglich wissen, wer die neuen Patienten waren. Es ist wirklich sehr wichtig.«
Sheryl nippte erneut an ihrem Kaffee. Sie hatte von den ethischen Grundsätzen der Psychologen gehört, war aber selbst keine Psychologin, ihnen also strenggenommen auch nicht verpflichtet. Und wenn sie irgendetwas dazu beitragen konnte, den Mann zu finden, der Nathan diese schrecklichen Dinge angetan hatte – bei Gott, dann würde sie es tun.
»Ich brauche meinen Rechner«, sagte sie endlich. »Aber ich kann da nicht noch mal reingehen. Das schaffe ich einfach nicht.«
»Kein Problem«, sagte Hunter mit einem Nicken zu Garcia. »Wir holen Ihnen den Rechner her.«
80
Minuten nachdem Hunter und Garcia in ihrem Büro eingetroffen waren, kam Captain Blake zur Tür hereingerauscht. Alice Beaumont war bereits da.
»Diesmal war der Tote ein Psychotherapeut?«, fragte Blake. Sie las von einem Blatt Papier ab, das sie bei sich hatte.
»Stimmt«, sagte Garcia. »Nathan Littlewood, zweiundfünfzig Jahre alt, geschieden, allein lebend. Seine Exfrau wohnt mit ihrem neuen Ehemann in Chicago. Sie haben ein gemeinsames Kind, Harry Littlewood, wohnhaft in Las Vegas. Er geht da aufs College. Nathan selbst hat sein Examen an der UCLA gemacht. Ist seit fünfundzwanzig Jahren Mitglied im Berufsverband der Psychologen. Seit achtzehn Jahren betreibt er eine Praxis in Silver Lake. Er wohnt in einer Dreizimmerwohnung in Los Feliz, die werden wir uns später noch ansehen. In seiner Praxis hatte er hauptsächlich mit ganz alltäglichen psychischen Problemen zu tun – Depressionen, Beziehungskrisen, mangelnde Selbstachtung, Unzulänglichkeitsgefühle und so weiter.«
Captain Blake hob die Hand, um Hunters Redefluss zu stoppen. »Sekunde mal. Was ist mit Aufträgen von der Polizei? Hat er das LAPD jemals bei einem Fall beraten?«
»So weit waren wir auch schon, Captain«, gab Garcia zurück, der emsig auf seiner Computertastatur tippte. »Falls ja, dann könnte sich eine Verbindung zu den anderen beiden Toten ergeben, was wiederum die Theorie eines Rachemotivs stärken würde. Wir überprüfen das, aber dazu müssen wir Unterlagen aus fünfundzwanzig Jahren durchackern, und überhaupt erst an diese Unterlagen zu kommen ist nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört. Wir sind gerade erst vom Tatort zurück, aber ich habe schon ein kleines Team zusammengestellt, das sich darum kümmern soll.«
Captain Blakes fragender Blick wanderte zu Alice. Die war darauf vorbereitet.
»Ich habe die Infos eben erst bekommen«, sagte sie. »Ich habe also noch nicht mit den Nachforschungen angefangen, aber wenn Nathan Littlewood jemals in irgendeiner Weise an einer polizeilichen Ermittlung beteiligt war, werde ich das rausfinden.«
Captain Blake trat zur Pinnwand und betrachtete aufmerksam die neuen Tatortfotos. Der Unterschied fiel ihr sofort ins Auge. »Der Körper ist voller Schnittwunden und Blutergüsse. Wurde er gefoltert?«
»Ja«, sagte Hunter. »Wir müssen noch auf das Ergebnis der Autopsie warten, aber Dr. Hove hat die Vermutung geäußert, dass der Täter sein Opfer gequält hat, bis es starb, erst dann fing er an, die Gliedmaßen abzutrennen.«
Blake war sofort ganz Ohr. »Aus welchem Grund?«
»Das wissen wir nicht.«
»Bei seinen ersten beiden Opfern hat der Täter doch nichts dergleichen getan. Die Amputationen waren die Folter. Warum ist das hier auf einmal anders?«
»Wir wissen es nicht, Captain«, sagte Hunter erneut. »Es könnte sein, dass sich seine Wut hochschaukelt, aber am wahrscheinlichsten ist, dass er individualisiert.«
»Und das bedeutet was genau?«
»Dass jedes seiner Opfer neue, ganz eigene Empfindungen in ihm wachruft. Diese Empfindungen werden sehr wahrscheinlich durch die Reaktionen des Opfers beeinflusst. Manche Opfer sind zu verängstigt, um Widerstand
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