Totenkünstler (German Edition)
zu leisten. Andere kooperieren mit dem Täter oder versuchen, auf ihn einzureden, weil sie denken, dass sie sich dadurch irgendwie einen Vorteil verschaffen können. Wieder andere begehren vielleicht auf, schreien oder wehren sich … sie tun alles, nur nicht aufgeben. Jeder Mensch reagiert anders auf Angst und Gefahr.«
»Und die Reaktion dieses Opfers hat den Täter vielleicht so richtig in Rage gebracht«, schloss Captain Blake.
Hunter nickte. »Sofern er Gelegenheit und Nerven hatte, hat Littlewood garantiert versucht, als Psychologe mit dem Täter zu sprechen. Ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Vielleicht hat der Täter seine Art in irgendeiner Weise als herablassend empfunden und ist explodiert. Wir wissen nicht, was vor dem Mord passiert ist, Captain. Wir wissen nur, dass bei dieser Tat deutlich mehr Wut im Spiel war als bei den letzten beiden.«
»Mehr Wut?« Captain Blake betrachtete die Tatortfotos der vorangegangenen Morde. »Wie ist das denn überhaupt noch möglich?«
»Die Schnitte und Hämatome am Körper der Leiche deuten darauf hin, dass der Täter das Leiden seines Opfers so weit wie möglich in die Länge ziehen wollte. Er wollte einen qualvollen Tod, und das wäre unmöglich gewesen, wenn er zu früh mit den Amputationen begonnen hätte. Littlewoods Sekretärin hat das Büro gegen neunzehn Uhr dreißig verlassen. Wir haben noch keine endgültige Bestätigung, aber ich vermute, dass der Täter kurze Zeit später zugeschlagen hat. Wenn das stimmt, dann standen ihm mindestens zehn Stunden zur Verfügung.« Hunter deutete auf das Foto von Littlewoods verstümmelter Leiche auf dem Stuhl. »Und die meisten davon hat er genutzt, um ihn zu foltern.«
»Und niemand hat einen Mucks gehört?«
»Es ist ein kleines Gebäude mit kleinen Büros«, erklärte Garcia. »Fast alle waren schon nach Hause gegangen. Als Letzter ein Grafikdesigner aus dem ersten Stock, der um Viertel nach acht Feierabend gemacht hat. Es gibt keine Überwachungskameras im Gebäude.«
»Falls sich Dr. Hoves Verdacht bewahrheitet«, fuhr Hunter fort, »hat der Täter seine Vorgehensweise bei den Amputationen ebenfalls geändert.«
»Was soll das heißen?«
»Bei den ersten beiden Opfern waren die Eingriffe ziemlich professionell durchgeführt«, antwortete Garcia. »Beim dritten nicht. Dr. Hove meinte, es gebe Anzeichen auf Hacken und Reißen. Das Werk eines Metzgers, nicht das eines Chirurgen.«
Captain Blake stieß besorgt den Atem aus. »Okay, und was zum Henker sagt uns die neue Skulptur? Ich nehme mal an, es gibt auch diesmal wieder ein Schattenbild?«
»Nein«, sagte Garcia.
»Was?«
»Es gibt zwei.«
81
Captain Blake sah ihre beiden Detectives scharf an. Es lag kein Erstaunen in ihrem Blick. Bei allem, was sie von diesem Killer gewohnt war, konnte sie so schnell nichts mehr überraschen.
»Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es zwei Skulpturen sind oder eine Skulptur, die aus zwei Teilen besteht«, sagte Garcia. »Und der Täter hat diesmal noch in anderer Hinsicht was Neues ausprobiert. Er hat einen Bürogegenstand in sein Werk integriert.« Er schilderte, was sie auf Nathan Littlewoods Schreibtisch vorgefunden hatten. Währenddessen studierten Captain Blake und Alice schweigend die Fotos der neuen Skulptur. Als Garcia erklärte, der Täter habe seinem Opfer ein Auge ausgerissen, scheinbar allein zu dem Zweck, ihnen zu demonstrieren, aus welcher Perspektive ein Teil der Skulptur zu betrachten sei, spürte Alice ein sehr unangenehmes Rumoren in der Magengrube.
»Diesen Teil hier haben wir uns zuerst angesehen«, sagte Garcia, wobei er auf das entsprechende Foto deutete. »Und das ist dabei rausgekommen.« Er pinnte das Foto vom ersten Schattenbild direkt darunter.
Captain Blake und Alice traten einen Schritt näher.
»Und was um alles in der Welt soll das darstellen?«, fragte Blake. Sie war unüberhörbar aufgebracht. »Person A sieht Person B beim Baden zu? Ist der Killer jetzt zum Spanner mutiert?«
»Vielleicht zeigt es jemanden, der in einer Kiste liegt«, meinte Hunter.
»Das wollte ich auch gerade sagen«, pflichtete Alice Hunter bei. »Was du über die Detailgenauigkeit der zweiten Skulptur gesagt hast, finde ich nachvollziehbar. Sie war nicht so hoch wie bei der ersten – aber immer noch hoch.« Sie zeigte auf das Foto. »Das da ist keine Badewanne. Der Behälter hat einen Deckel.« Sie verglich es mit dem Foto der eigentlichen Skulptur. »Wenn der Täter gewollt hätte, dass wir eine Badewanne
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