Totenkünstler (German Edition)
wurde und wenn Sie tatsächlich richtigliegen« – diese Worte waren an Hunter gerichtet –, »dann kennen wir unseren Killer, sobald wir das Opfer kennen.«
100
Die nächsten vierundzwanzig Stunden vergingen wie im Flug. Alle arbeiteten so schnell und so hart sie konnten. Trotzdem ergab sich nur wenig Neues.
Aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit Datenbanken hatte Alice sich bereit erklärt, die Suche nach alten Fällen von in Behältern aufgefundenen zerstückelten Leichen zu übernehmen. Leider stieß sie dabei ziemlich schnell an Grenzen. Sie war in der digitalen Welt zu Hause. Solange eine Information irgendwo online gespeichert war, konnte sie sie finden. Doch sobald man nach Unterlagen zu einem Ereignis suchte, das mehrere Jahre vor Einführung digitaler Datenbanken stattgefunden hatte, wurde das Ganze zu einem Glücksspiel. Falls irgendwann einmal ein unterbezahlter Angestellter mit der geisttötenden Aufgabe betreut worden war, die relevanten Fallakten vom Papier in den Computer zu übertragen, würde Alice sie auch aufspüren, ganz egal, wo sie sich befanden. Dessen war sie sich absolut sicher. Wenn die Akten allerdings noch in irgendeinem dunklen Archivkeller lagen, würden sie dort aller Wahrscheinlichkeit nach auch bleiben. Angesichts fehlender Geldmittel und Personalknappheit würden die meisten Behörden es niemals schaffen, ihre alten Aktenbestände komplett zu digitalisieren.
Hunter und Garcia fuhren ein drittes Mal zu Amy Dawson. Sie hatte die Titelseiten der Zeitungen und die Fotos der drei Mordopfer gesehen. Es war ihr unbegreiflich, wieso ein Serienmörder es auf Mr Nicholson abgesehen haben könnte.
Hunter befragte sie erneut zu Nicholsons Bemerkung über seine geplante Aussprache, aber auch diesmal musste Amy ihn enttäuschen. Mehr habe Nicholson dazu nicht gesagt, und er habe auch keine Namen genannt. Sie wusste weder, welche Wahrheit er habe beichten wollen, noch waren ihr weitere Einzelheiten zum geheimnisvollen Besucher eingefallen.
Das Gespräch mit Melinda Wallis, der Pflegeschülerin, die Nicholsons Leiche gefunden hatte, gestaltete sich als deutlich schwieriger. Nach den Vorfällen war sie zurück ins Haus ihrer Eltern gezogen. Diese wohnten in La Habra Heights, einer ländlich geprägten Ortschaft in einem Tal an der Grenze zwischen Orange County und Los Angeles County. Trotz Hunters psychologischer Erfahrung erwies es sich als fast unmöglich, sie zu vernehmen. Das Trauma, das sie durch den Anblick von Nicholsons Leiche erlitten hatte, das Wissen, einem kaltblütigen Mörder ganz nahe gekommen zu sein, und die blutige Botschaft, die dieser für sie an die Wand geschrieben hatte, hatten sich tief in ihrem Bewusstsein und Unterbewusstsein festgesetzt. Selbst eine jahrelange Therapie – die ihre Familie im Übrigen nicht bezahlen konnte – würde sie nicht wieder in den Menschen zurückverwandeln, der sie davor gewesen war. Melinda war auf tragische Weise zu einem weiteren Opfer des Totenkünstlers geworden.
101
Vor ihrer Rückkehr ins PAB mussten Hunter und Garcia noch einen letzten Zwischenstopp einlegen: Allison Nicholsons Wohnung im unmittelbar südlich von Beverly Hills gelegenen Pico-Robertson.
Derek Nicholsons jüngere Tochter wohnte in einem luxuriösen Drei-Zimmer-Apartment in der begehrten Hillcrest-Siedlung, die neben dem berühmten Hillcrest Country Club lag. Hunter hatte zuvor beide Nicholson-Töchter telefonisch verständigt und sich für Viertel nach sieben mit ihnen in Allisons Wohnung verabredet.
Die Hillcrest-Siedlung sah eher nach teurer Hotelanlage aus als nach einer gewöhnlichen Wohnsiedlung. Die Bewohner genossen den Luxus eines großen Fitness-Centers mit Cardio-Bereich, Trockensauna, zwei Schwimmbecken, zwei Spas, riesigen Palmen, Wasserfällen, einem Außenkamin mit Loungebereich und Grillplätzen. Nachdem Hunter und Garcia sich beim Wachmann am elektronisch gesicherten Tor angemeldet hatten, beschrieb dieser ihnen den Weg zum Besucherparkplatz.
Der Pförtner in der Eingangshalle von Allisons Apartmentgebäude begleitete Hunter und Garcia zum Fahrstuhl und teilte ihnen mit, dass Miss Nicholsons Wohnung im obersten Stockwerk lag.
Die Opulenz, die beim Tor begonnen hatte, erreichte in Allisons Wohnung ihren Höhepunkt. Das Wohnzimmer hatte annähernd die Ausmaße eines Basketballfelds und war mit Böden von Karndean, prächtigen Kronleuchtern, Perserteppichen und sogar einem Kamin aus Granit ausgestattet. Die Möbel waren fast allesamt
Weitere Kostenlose Bücher