Totenkünstler (German Edition)
Bürgermeister und der Polizeichef unbedingt Ergebnisse sehen wollen. Alles geht viel schneller. Ich habe sie heute in aller Frühe per Fax ins Büro bekommen.«
»Hast du sie schon durchgesehen?«
Alice schob sich mit beiden Händen die Haare hinter die Ohren. »Ja, habe ich.«
Garcia beäugte ungläubig den dicken Mappenstapel.
»Ich lese schnell.« Sie lächelte. »Ich habe ein paar Sachen angestrichen.« Sie überlegte kurz. »Genauer gesagt ziemlich viele. Fang mit der blauen Mappe an, das ist die von Alfredo Ortega. Du weißt ja bestimmt noch, dass er elf Jahre vor Ken Sands ins Gefängnis gekommen ist.«
Garcia fiel Alices eigenartiger Tonfall auf. »Ich merke schon, du bist auf was gestoßen.«
»Wart ab, bis du beide Akten durch hast.« Sie hockte sich mit selbstzufriedener Miene auf die Kante ihres Schreibtischs. »Du musst es mit eigenen Augen sehen, sonst glaubst du es nicht.«
53
Detective Seb Stokes hielt mitten im Trinken inne und stellte seinen Kaffeebecher zurück auf den Tisch. Ein Sahneklecks hing vorn an seiner knolligen Nase, und ein fast perfekter Schnurrbart aus weißem Schaum zierte seine Oberlippe.
»Als Mechaniker?«, wiederholte er, während er sich mit einer Papierserviette die Sahne aus dem Gesicht wischte. »Sie haben das Schwein auf Band?«
»Nein, die Überwachungskameras waren kaputt«, sagte Hunter mit ruhiger Stimme.
»Das sind sie doch immer, wenn man sie mal braucht. Woher wissen Sie dann, dass der Mörder sich als Mechaniker ausgegeben hat?«
»Gestern Abend habe ich entdeckt, dass Dupeks Innenbordmotor ein Ölleck hatte. An dem Tag, als er ermordet wurde, wollte er zu seinem alljährlichen Segeltörn aufbrechen. Ich vermute, dass ihm das Problem wahrscheinlich beim letzten Check aufgefallen ist und er nicht mit einem defekten Motor in See stechen wollte.«
»Typisch Andy. Er war immer sehr gründlich. Ist nie ein Risiko eingegangen. Haben Sie schon beim Büro der Marina nachgefragt? Haben die Vertragsmechaniker?«
»Ja, ich habe mich erkundigt.« Hunter nippte an seinem Kaffee. »Sie haben keine eigenen Mechaniker auf Abruf, sondern bloß eine Liste von Mechanikern, die sie den Bootsbesitzern bei Bedarf vermitteln. Dupek hat sich mit seinem Problem allerdings nicht ans Büro gewandt, aber die meisten Bootsbesitzer haben ohnehin einen festen Mechaniker, dem sie vertrauen.«
»Andy auch?«
Hunter nickte. »Ein Mann namens Warren Donnelly. Ich habe heute Morgen schon mit ihm gesprochen. Er sagte, Dupek hätte sich nie bei ihm wegen eines Öllecks gemeldet.«
»Sie denken also, der Mörder hat am Motor rumgefummelt, kurz bevor Andy aufs Boot kam«, sagte Stokes, der Hunters Miene richtig gedeutet hatte. »Vielleicht sogar ein, zwei Tage vorher.«
»Möglicherweise.«
»Dann musste er nur noch in der Nähe bleiben und den richtigen Moment abpassen, damit er ihm seine Dienste anbieten konnte.«
»Das ist die Theorie, der wir momentan nachgehen«, bestätigte Hunter.
»Aber warum hat er sich nicht einfach in der Kajüte versteckt und auf Andy gewartet? Warum musste er es so kompliziert machen und diesen ganzen Mechaniker-Zirkus aufführen?«
»Ich bin mir nicht sicher«, gestand Hunter. »Vielleicht weil das Boot so klein ist. Es ist sehr eng in der Kajüte, eigentlich gibt es gar keinen Platz, um sich zu verstecken. Dupek wäre die Anwesenheit eines Fremden aufgefallen, noch bevor er das Boot überhaupt betreten hätte. Damit hätte der Täter seinen Vorteil verspielt – kein Überraschungsmoment mehr.«
»Andy war immer noch ein Cop«, sagte Stokes, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und rieb sich mit der Hand den grummelnden Magen. »Und ein guter noch dazu. Beim geringsten Anzeichen von Gefahr hätte er sofort die Waffe gezogen und wäre auf der Hut gewesen.«
Wieder nickte Hunter. »Dupek war groß und kräftig, er wusste sich zu verteidigen. Vielleicht war dem Täter klar, dass er es unter keinen Umständen auf einen Zweikampf ankommen lassen durfte. Unser Täter geht keine unnötigen Risiken ein.«
Stokes begann auf seiner Unterlippe herumzukauen. »Das heißt, der Killer musste dafür sorgen, dass er von Andy aufs Boot eingeladen wird. Auf die Art hätte Andy auch keinen Verdacht geschöpft. Er wusste, wenn er erst mal an Bord ist, würde sich früher oder später schon eine Gelegenheit ergeben, Andy zu überwältigen.«
»Den Blutspritzern und dem Fundort seiner Zähne nach zu urteilen, hat Dupek vor der Luke zum Innenborder gekniet. Vielleicht hat
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