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Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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schlicht und ergreifend nicht genug Platz. Wäre der Täter andererseits aus dem Bad auf Dupek zugestürzt, hätte er in jedem Fall mehrere Sekunden gebraucht, um ihn zu erreichen. Das hätte Dupek genügend Zeit gegeben, die grundlegendste aller Abwehrhaltungen einzunehmen, indem er die Arme hochriss, um das Gesicht zu schützen. Doch waren weder an Händen noch an Armen des Opfers Abwehrverletzungen gefunden worden.
    Hunters Blick wanderte erneut durch den Raum und blieb schließlich an der kleinen Luke hängen, hinter der sich der Innenbordmotor des Bootes verbarg. Wie fast alles auf dieser Seite der Kajüte war auch sie mit getrocknetem Blut bedeckt. Weil die Spurensicherung es am Vorabend so eilig gehabt hatte, den Tatort zu untersuchen, hatte Hunter nicht die Zeit gefunden, den Motor gründlicher in Augenschein zu nehmen. Nun ging er neben der Luke in die Hocke und zog die Abdeckung auf. Der Raum dahinter war nicht größer als ein normaler Schrank. Der Motor nahm fast den gesamten Platz ein. Durch die Ritzen war Blut hineingelaufen und auf den Motor und den ölverschmierten Boden darunter getropft. Hunter wollte die Luke gerade wieder schließen, als er etwas entdeckte, das ihn stutzig machte: Blutspuren auf dem mittleren Teil des Motors. Es waren keine Tropfen, die durch den Spalt in der Abdeckung gesickert waren, sondern eindeutig Spritzer. Hunter hatte ähnliche Verteilungsmuster schon oft gesehen – Wundspritzer, normalerweise verursacht durch eine Drehbewegung, wie wenn ein Angreifer seinem Opfer einen Schlag ins Gesicht versetzt. Durch die Wucht des Schlages wird der Kopf des Opfers herumgerissen, und das Blut, das dabei aus der Wunde fliegt, hinterlässt ein bogenförmiges Spritzmuster.
    Hunter griff nach der Mappe mit dem kriminaltechnischen Bericht und blätterte rasch durch die Beweisfotos. Als er das richtige Foto gefunden hatte, begann es in seinem Kopf fieberhaft zu arbeiten. Er spielte sämtliche Möglichkeiten durch. Schließlich langte er mit der Hand nach unten, steckte den Kopf in den Motorraum und tastete an der Unterseite des Motors herum. Als er die Hand wegzog, klebte eine schmierige Flüssigkeit daran.
    Hunter spürte, wie sich das Blut in seinen Adern erwärmte. »Ganz schön schlau, der Mistkerl.«

51
    Um neun Uhr morgens war die Hitze, die von den staubigen Straßen aufstieg, bereits so stark, dass es sich anfühlte, als wäre eine Backofentür geöffnet worden. Hunter saß an einem der Tische im Außenbereich des Grub Café in der Seward Street. Der große weiße Schirm, der aus der Mitte der Tischplatte emporragte, spendete hochwillkommenen Schatten. Die getrimmten, mit purpurnen Blüten gesprenkelten Hecken, die an einem Holzzaun um die Terrasse herum wuchsen, verliehen dem Café ein ländliches Flair, und das obwohl man sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu West Hollywood befand.
    Detective Seb Stokes, Andrew Dupeks ehemaliger Partner, hatte das Grub Café als Treffpunkt vorgeschlagen. Er kam einige Minuten nach Hunter, blieb im Durchgang zur Terrasse stehen und ließ den Blick über die vollbesetzten Tische schweifen. Er war ein Bär von einem Mann. Seine abgewetzte Hose spannte sich um einen ausufernden Bauch, und seine Jacke sah aus, als würde sie zerreißen, sobald er mit den Schultern zuckte oder etwas zu heftig nieste. Sein Haar war schütter, dunkelblond und seitlich über den Schädel gekämmt, um eine kahle Stelle zu verbergen, die sich nicht verbergen ließ. Er hatte das erschöpfte Aussehen eines Menschen, der zu viel Zeit in demselben Job verbracht und ihn zu hassen gelernt hat.
    Obwohl sie sich nie getroffen hatten, erkannte Hunter ihn sofort und hob die Hand, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Stokes kam zu ihm.
    »Ich sehe wohl zu sehr wie ein Cop aus, was?« Seine Stimme passte zu seinem Äußeren: volltönend, aber müde.
    »Das tun wir doch alle«, gab Hunter zurück und stand auf, um Stokes die Hand zu schütteln.
    Stokes unterzog Hunters Figur und Kleider einer eingehenden Musterung. Die schwarzen Jeans, die Cowboystiefel, das Hemd, dessen aufgerollte Ärmel muskulöse Unterarme entblößten, die breiten Schultern und die starke Brust, das Gesicht mit dem markanten Kiefer.
    »Ach ja?«, sagte er mit einem spöttischen Grinsen. »Sie sehen eher aus wie Amerikas größter Superturner. Jedenfalls nicht wie die Cops, die ich kenne.« Er schüttelte Hunter die Hand. »Seb Stokes. Alle nennen mich Seb.«
    »Robert Hunter. Sagen Sie Robert zu mir.«
    Sie

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