Totenkünstler (German Edition)
beiseite.
»Bedauerlicherweise sind wir nicht zum Feiern hier.« Er hob ihren Morgenmantel vom Boden auf und half ihr wieder hinein.
» Ai, chingado . Dummes Stück, verpiss dich ins Schlafzimmer«, sagte Tito, ging zu der Frau und packte sie am Arm, bevor er sich ein weißes Handtuch um die Hüften knotete.
»Danke, dass du dir was angezogen hast, Tito«, sagte Garcia. »Mir wurde schon langsam ein bisschen übel.«
»Tito, was geht da draußen?«, kam die Stimme einer zweiten Frau aus dem Schlafzimmer. Sie klang blutjung.
»Nichts, Bitch. Halt die Klappe.«
Garcia setzte ein Lächeln auf. »Wie viele Leute hast du denn da drinnen, Tito?«
»Geht dich einen Scheißdreck an, Bulle.«
Schlagartig war die Latina nüchtern. »Das sind Bullen?«
»Was glaubst du denn, du dumme Nutte? Vom Pizzadienst sind die ja wohl nicht. Jetzt geh zurück da rein und bleib da!« Tiro schubste sie ins Schlafzimmer und knallte die Tür zu. »Was wollt ihr? Und warum seid ihr ohne Durchsuchungsbefehl in meiner Wohnung?«
»Wir brauchen keinen Dursuchungsbefehl«, gab Garcia zurück, während er sich im Zimmer umschaute. »Deine … Freundin hat uns netterweise reingebeten.«
»Das ist nicht meine Freundin …«
»Wir müssen reden, Tito.« Hunter kam gleich zur Sache. »Jetzt sofort.«
»Leck mich, Bulle. Ich muss nicht mit euch reden. Ich muss gar nichts.« Dann zog er eine Schublade der Holzkommode auf, neben der er stand, und langte hinein.
58
Die Reaktion erfolgte innerhalb eines Wimpernschlags und in perfekter Übereinstimmung. Um den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, machte Hunter einen Schritt nach links, Garcia einen nach rechts. Zeitgleich zogen sie ihre Waffen und zielten beide auf Titos Brust. Es ging alles so blitzschnell, dass Tito mitten in der Bewegung erstarrte.
»Sachte, Spitzenhöschen«, warnte Garcia. »Zeig mir deine Hände. Schön langsam.«
»Hey, hey.« Tito wich zurück und reckte beide Arme in die Luft. In einer Hand hielt er die Fernbedienung für eine Stereoanlage. »Scheiße, Mann, was geht denn bei euch ab? Ich wollte nur die Musik leiser machen.« Sein Kinn zuckte kaum merklich zur rechten Schulter – derselbe nervöse Tic, der ihn sieben Jahre zuvor auf den Überwachungsbändern des Raubüberfalls verraten hatte.
Hunter und Garcia sicherten ihre Pistolen und steckten sie zurück ins Halfter.
»Was geht denn bei dir ab?«, gab Garcia zurück. »Du müsstest doch wissen, dass man im Beisein von Polizisten keine plötzlichen Bewegungen macht. Das wird dich noch umbringen.«
»Bis jetzt ist mir ja nix passiert.«
»Setz dich, Tito«, sagte Hunter und zog einen Stuhl vom runden Holztisch heran, der in der Mitte des kleinen Wohnzimmers stand. Titos Wohn-Esszimmer war muffig und düster, und wer auch immer es eingerichtet hatte, litt unter ernsten Geschmacksverirrungen und war vermutlich halb blind. Die Wände waren in einem schmutzigen Beige gestrichen, das möglicherweise früher einmal Weiß gewesen war. Der Laminatboden hatte so viele Kratzer, dass man annehmen musste, Tito führe in der Wohnung Schlittschuh. Es stank nach Gras und Alkohol.
Tito zögerte und bemühte sich, eine grimmige Miene aufzusetzen.
»Hinsetzen, Tito«, wiederholte Hunter. Sein Tonfall änderte sich nicht, aber sein Blick verlangte Gehorsam.
Also setzte sich Tito hin und ließ sich gegen die Rückenlehne seines Stuhls sacken wie ein bockiger Schuljunge. Seine Arme und sein schwabbeliger Oberkörper waren mit Tattoos bedeckt. Seinen kahlrasierten Schädel zierten mehrere Narben. Hunter vermutete, dass er sich die meisten davon im Gefängnis geholt hatte.
»Das ist doch Verarsche, Mann«, brummte Tito und fummelte nervös an einem gelben Plastikfeuerzeug herum. »Ihr habt kein Recht, einfach so bei mir reinzuplatzen. Ich hab eine absolut weiße Weste. Da könnt ihr meinen Bewährungshelfer fragen. Der wird das bestätigen.«
»Klar hast du das, Tito«, entgegnete Hunter. Er fing seinen Blick ein und tippte sich dreimal an die Nase. »Schneeweiß.«
Tito wischte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenlöcher und betrachtete dann die Fingerspitzen, an denen ein weißes Pulver klebte. Er rieb sich weitere vier-oder fünfmal die Nase und schnaubte dabei jedes Mal laut, um auch die letzten Reste loszuwerden. »Mann, das ist doch Katzenpisse. Wir haben da drinnen nur ein bisschen Spaß gehabt, ihr wisst doch, wie das ist. Nichts Krasses, Mann. Nur was, um uns in Schwung zu bringen. Ich hab heute frei. Wir
Weitere Kostenlose Bücher