Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
Vom Netzwerk:
neues, ein
besseres Schorndorf-Schornberg mit lauter staatlich subventionierten
Keimzellen. Psychisch stabile Mütter bugsierten zufriedene Kleinkinder in
gesunde Laufräder. Allerorten triumphierte der Gleichgewichtssinn.
    Dann war Fehrle wieder dort, von wo er geflohen war. Er
hasste das Neubaugebiet. Befriedigt stellte er fest: Der Dorfkern wurde mit
jedem Atemzug, den man darin tat, trostloser. Die Dächer fielen ein, die
Fensterläden kippten aus den Angeln und die vergilbten Vorhänge hingen in
Fetzen herunter. Plötzlich sah Fehrle hinter dem gegenüberliegenden Fenster
einen Schatten. Ein schemenhaftes Gesicht zeigte sich, das sofort wieder
verschwand. Hahnke. Himmelarschundzwirn, es war eine Täuschung gewesen, der
Widerschein eines Blinklichts an einem vorbeidonnernden Lastwagen. Genial,
dachte Fehrle, wäre es, wenn sich Olaf Hahnke in einem der verlassenen Häuser
um mich herum einnistet. Direkt vor meiner Nase.
    Aber ganz so einfach würde er es ihm nicht machen. Das war
pure Romantik, weil jeder Ermittler, der einen Hauch von Fantasie hatte,
natürlich sofort darauf kam. Hahnke war zu schlau, um sich so schnell schnappen
zu lassen. Fehrle sinnierte darüber, in welcher Art von Dialog sich Hahnke mit
der Polizei befand. Mit wem kommunizierte er? Wie sah das Katz- und Mausspiel
aus? Fehrle hatte nicht vor, sich mit Julius Stern zu verbünden, nur damit der
Schafseckel seine psychologischen Karten ausbreitete und damit das
Augenscheinliche zudeckte. Er kam schon von selber darauf. Wer war Hahnkes
gedanklicher Ansprechpartner, wer sein Feindbild, wer der Widersacher, den er
foppen wollte? Kriminaloberrätin Anita Wolkenstein, die ihn als Erste zum
Mordfall Petra Clauss befragt hatte? Das lag bereits zwei Jahre zurück.
Ziemlich genau zwei Jahre. Anita war mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft
allein nach Stammheim gefahren und hatte Fragen gestellt. Es waren vorsichtige
Vorstöße, Erkundigungen, die zweifelsohne erlaubt waren. Hahnke wurde als Zeuge
gehört, nicht als Verdächtiger.
    Olaf Hahnke hatte Anita mühelos an die Wand gespielt, und sie
hatte sich von diesem Schlag schwer erholt. Als erfahrene Ermittlerin war sie
davon ausgegangen, dass sie es schaffen würde, Hahnke zumindest zu
verunsichern. Sie hatte sich überschätzt und unter der Demütigung gelitten, die
eigentlich Fehrle gegolten hätte, denn auf ihn hatte sich Hahnke vorbereitet.
Mit einer messerscharfen Rhetorik. Anita hatte sich verletzt gefühlt, weil sie
gescheitert war, aber sie hatte Hahnke durchschaut und Fehrle nie einen Vorwurf
gemacht. Er hatte eigentlich fahren sollen, es aber im letzten Moment nicht
gekonnt. Er kam nicht einmal mit. Er hatte Anita im Stich gelassen, weil er
spürte, dass er die Konfrontation nicht durchstehen würde. Fehrle war labil,
und er war befangen. Nachdem er die Dokumentation der Vergleichsfälle studiert
hatte, die dem Mantelmörder angelastet wurden, zeigte er eine akute
Belastungsreaktion. Er hatte das Gefühl, alles wie durch einen Filter oder eine
Kamera zu erleben, er kriegte den Tunnelblick, er schwitzte, sein Herz raste,
ihm war übel. Es war weniger die Brutalität, die ihn schockierte. Es war das
Ausmaß an Abartigkeit.
    Als Timo Fehrle Olaf Hahnke kennengelernt hatte, war er 14
gewesen und Olaf war zwölf. Sie waren beide in Petra verknallt. Petra war 13
und ging auf die Realschule. Zwei Jahre später lag sie unterhalb des
Schuttplatzes in einer Senke, bei der B 462, und wurde von Tieren gefressen.
Den Tatort und einen Teil des Tathergangs kannten die Ermittler erst seit zwei
Jahren, als Fotos der Toten aufgetaucht waren. Ein DNA-Abgleich des LKA brachte
unvermittelt die Gewissheit über die unbekleideten Leichenteile, die Ende Mai
1984 im Rosensteinpark auf drei rote Koffer verteilt aufgefunden worden waren.
Damals hatte man geglaubt, es handele sich um eine illegale polnische
Prostituierte.
    Anita hatte einen der Koffer geöffnet. Sie war damals eine
unerfahrene junge Streifenbeamtin im Polizeirevier Stuttgart-Nord gewesen und
hatte angenommen, jemand habe seine toten Tiere ausgesetzt. Vielleicht, dachte
Fehrle, war das für sie mit ein Motiv, warum es ihr gar nicht unrecht war,
Hahnke allein zu befragen. Der Gestank, das Entsetzen, der Tadel der
Vorgesetzten, den sie als junge Polizistin für ihr eigenmächtiges Handeln
einstecken musste. Sie wollte noch mal eine Chance bekommen, ihren Fehler
wiedergutzumachen.
    Fehrle zog sich an,

Weitere Kostenlose Bücher