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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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nahm sein altes Ringbuch und einen
Kugelschreiber und ging hinunter in den Garten. Im Flur schnappte er sich das
tragbare Telefon. Er war kurz davor, Anita anzurufen, entschied sich aber
dagegen. Ihr Dezernat Tötungsdelikte/Todesermittlungen war nicht aktiv in die
Fahndung einbezogen. Da er im Polizeipräsidium als Sachbearbeiter die Altfälle
betreute und derzeit nichts Akutes anhängig war, arbeiteten sie an keinem
gemeinsamen Projekt. Wenn Anita sich nicht von sich aus bei ihm meldete, war es
besser, sie im Glauben zu lassen, er sei an Hahnkes Flucht nicht näher
interessiert. Aber wie konnte sie das annehmen, so gut, wie sie ihn kannte?
Verriet sich Fehrle denn nicht gerade durch sein Schweigen? Anita musste es
doch verdächtig vorkommen, wenn er viereinhalb Tage nach Hahnkes Verschwinden
immer noch nicht bei ihr anläutete! Zumal er bereits drei Tage früher als
geplant seinen Pfingsturlaub antrat, um – vollends gegen seine
Gewohnheit – Überstunden abzubummeln?
    Prompt klingelte es. »Grüß dich«, schrie Fehrle, ertappt und
doch erfreut.
    »Ich bin’s«, entgegnete Barbara trocken. »Im Geschäft hat man
mir gesagt, du seist schon in den Ferien.«
    Manfred ist gestorben.
    »Hat’s dir die Sprache verschlagen, Timo?«
    »Was ist mit Manfred?«
    »Danke, der Vater ist soweit okay. Er muss nur heute Mittag
nochmal ins Krankenhaus, damit sie dort die Medikamente einstellen. Die
Blutwerte sind total durcheinander … Ich meine, kannst du Nathan und
Jorinde jetzt schon nehmen?«
    Fehrle schluckte. »Übermorgen geht’s für zwei Wochen in
Urlaub, und bis dahin gibt’s noch einen Haufen zu schaffen.«
    »Gartenarbeit«, meinte Barbara verächtlich. Wobei sie selber
den halben Tag in ihrem Grünzipfel stand und an ein paar Blumen herumzupfte.
Der Resthof, in dem sich Fehrle kürzlich erst eingemietet hatte, stammte aus
der Zeit vor 1780. Er maß acht Morgen Land, das entsprach drei durchschnittlichen
Fußballfeldern. Darauf verblühten Tulpen und Obstbäume. Der Frühling kam spät,
doch der Löwenzahn war gegessen, das erste Gras gemäht. Kirschblüten legten
sich auf die Stoppeln wie Schnee.
    »Ich mach den Garten, genau«, log Fehrle. Er fixierte wütend
die noch geschlossenen weißrosa Quittenblüten. Sein Magen knurrte.
    Aus Barbara sprach das Orakel der letzten Therapiesitzung.
»Gräbst du Beete um? Kannst du das denn nicht mit den Kindern zusammen machen?
Wieso bleibt ihr in den Ferien nicht bei dir? Dein Hof ist zum Spielen an der
frischen Luft ideal. Und du bist doch erst ein paar Wochen von zu Hause
ausgezogen. Nathan und Jorinde sollten erst mal bei dir in deiner neuen
Umgebung ankommen, bevor du dann wieder mit ihnen fortfährst …«
    »Wir gehen zelten«, sagte Fehrle.
    »Bei dem Schiff?«

     
    *

     
    »So, also hierher kommen die Leute, um zu leben,
ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe
gesehen: Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und
umsank. Die Leute versammelten sich um ihn, das ersparte mir den Rest.« Ein
naseweises Seichbüble, dieser Rilke, dachte Rosa und ließ das vergilbte
Taschenbuch auf den Schoß sinken. Ein Meister der Hoffart. Aber, vermaledeit,
so schöne Sätze. Schon nach den ersten fünf hatte sie genug und nahm sich vor,
es Malte Laurids Brigge gleichzutun. Sie ersparte sich den Rest, hob den Kopf
in die Sonne, schloss die Augen und spürte, sie wurde beobachtet. Unter den
Forsythien hockte mit gespitzten Ohren Kafka. Der missgünstige schwarzweiße
Kater fraß Nüsse und hatte einen Mittelscheitel.
    »Pssiwwww«, machte Rosa und ließ einen Arm herunterhängen.
Kafka kam her und wurde gedrückt. »Bist du lieb! Bist du lieb! Bist du lieb!«
Er gab ein langgedehntes, grollendes Stöhnen von sich, wand sich und
entschwand.
    Rosa zitierte Otto Julius Bierbaum: »Im Mai sind alle Blätter
grün. / Im Mai sind alle Kater kühn / Und alle Jüngelinge. / Und wer ein Herz
hat, faßt sich eins, / Und wer keins faßt, der hat auch keins; / Singe, mein
Kater, singe!«
    Und Kafka sang im Zeckengebüsch. Die Kreuzotter Kriemhild
räkelte sich auf ihrem Stein. Nach einem halben Jahr Winter kam endlich die
Wärme. Rosa hockte im Garten und schaute den Pflanzen beim Wachsen zu. Sie saß
in der Wildnis vor ihrem Hexenhäusle im Staighäusle drunten, Schramberg zu. Wie
Karle hauste sie am Hang, der krüpplige Resthof stand auf Lehmboden unterhalb
des Hochmoors,

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