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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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weitab vom alten Neubaugebiet. Das Transformatorenhäuschen
duckte sich am Rand des Gartens, am Eingang zum Wald. Rosa hörte das Surren nicht
mehr. Sie dachte an die Schmerzhaften Rosenkränze, die sie früher in der Stube
gebetet hatten, wenn der Donner krachte. Sie musste endlich einen Blitzableiter
einbauen. Rosa stierte in die Tannen. Aus dem Reisig drang schwarzes Licht, es
roch nach Moos und modrig. Das Haus, das von mehreren verfallenen Ställen und
Schuppen umgeben war, hatte sie notdürftig renoviert und hingebungsvoll, aber
dilettantisch rückgebaut. Es war wieder ungefähr in seinem Originalzustand von
1886, mit dicken Fensterläden, ochsenblutgetünchten Eichentüren und
handgeschmiedeten Angeln. Es gab einen gewaltigen Kachelofen und hinter der
Küche halb im Freien den Abort. Das Land ging nach Westen hinaus, die Natur
erwachte spät. Vor Mitte Mai war nichts zu erwarten, aber wenn es dann losging,
kam alles schnell hintereinander. Rosa sah, wie der Kirschbaum förmlich
explodierte und die Birken wie wild stäubten, während die Kerzen der Kastanien
sich erst taumelnd aufrichteten. Auch die eingeschleppte 38-jährige Agave hatte
sich todessehnsüchtig zur Blüte entschlossen, wobei der Stengel noch mickrig
und es überhaupt zweifelhaft war, ob er die vorgeschriebenen zwölf Meter
Standhöhe je erreichen würde. Um sie herum blühten die Gänseblümchen, Hummeln
brummten, ein Pfauenauge blinzelte und der Bach plätscherte. Es roch nach
Bärlauch, Gülle und Honig. Rosa ließ sich die Sache nochmals durch den Kopf
gehen. Es fiel ihr schwer, weil die Flexibilität, neue Erkenntnisse zu
verarbeiten, deutlich abnahm. Sie war in dem Alter, in dem sie immer minutiöser
die immer gleichen Geschichten von früher erzählen konnte. Davon abgesehen,
baute sie ab. Links und rechts von Hitlers Autobahn war nicht mehr viel Raum,
und vielleicht deutete auch dies auf das nahe Ende hin. Wo hab ich nur, dachte
Rosa, den verdammten Autoschlüssel hingelegt?
    »Der Mantelmörder«, hatte Karle gesagt. Und der Timo sei fast
derselbe Jahrgang wie Olaf Hahnke. Beide Blutsbrüder gewesen womöglich, drunten
bei ihren Raubzügen im Staighäusle, als sie noch Seichbuben waren und keiner
wusste, was später aus ihnen werden würde. Der Mord an dieser Arzttochter.
Petra Clauss. Karle hatte auf den Tisch gehauen. Damit habe sich der Fehrle
Timo doch als Kripo beschäftigt. Und warum? Um die eigene Beteiligung von
damals zu vertuschen. »Weil er nämlich«, schrie Karle, »dabei gewesen ist
damals.«
    Der Kernen Josef, der Polizist, war Ortsgruppenleiter
gewesen. Damals nicht mehr, aber bei den Nazis. Was hatte eigentlich die
Fehrle-Sippschaft gemacht im Faschismus? Spielt das jetzt noch eine Rolle?,
dachte Rosa, die sich wunderte, dass sie überhaupt nicht unter
Wortfindungsstörungen gelitten hatte wie sonst, als sie Karle gegenübergetreten
war. Das war schon erstaunlich, weil sie gewöhnlich kaum einen geraden Satz
fertigbrachte, und schon gar nicht, wenn sie aufgeregt war. Der Wille stärkt
mich, dachte Rosa, aber dass ich darüber bloß nicht den Humor verliere.
    25 Jahre lang hatte Rosa Fix, geborene Roth, einen
Irrsinnsbogen um ihren stalinistischen Bruder gemacht, und kaum war sie auf
seinen Grund getreten, steckte sie schon wieder mittendrin. Karle hatte Angst,
weil er in der Scheiße hockte. Immerhin war ein Ex-Polizist mit seiner Waffe
erschossen worden, und im Garten der Tochter lag noch ein Toter. Selbst wenn
die Rothen allesamt nichts damit zu tun hatten, einen guten Eindruck macht
sowas nicht. Das war dem Karle klar. Und weil Angriff besser ist als
Verteidigung, zimmerte er sich wieder mal sein Weltbild zurecht. Wo brachte er
bloß den Mut her, laut die Vermutung zu äußern, der Fehrle Timo habe als junger
Bub mit Olaf Hahnke unter einer Decke gesteckt? Rosa fasste sich ans Hirn.
Karle behauptete, die beiden seien Komplizen gewesen. Gemeinsam hätten sie
Petra Clauss umgebracht und fortgeschafft in den drei Koffern. Wenn das nicht
wieder ein viehmäßiges Hirngespinst war!
    Karle war ein Schafseckel, ein sturer Bock. Es würde keine
Freude sein, neben ihm bestattet zu sein, wenn er sich demnächst irgendwann zu
ihr legte. Die Weibsbilder ruhten auf der rechten, die Mannsbilder auf der
linken Seite. Wie die Hochzeiter im Ehebett. Der Bruder anstelle des Gatten.
Kein Spaß. Zumal nicht auf dem Alten Mariabronner Friedhof, der mitten im
Hochmoor lag und mit

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