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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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schwang, betrachtete er wie durch ein umgedrehtes Fernglas
die wilde Landschaft, die sich ihm auf rätselhafte Weise entzog. Er dachte an
die dunkle Schlange, die er auf der Terrasse gesehen hatte. Sie war über die
Steine gehuscht und im Gestrüpp verschwunden, ehe er erkennen konnte, ob sie
giftig oder ungiftig war. Die meisten Schlangenarten waren ungiftig, aber es
gab auch welche, vor denen man sich in Acht nehmen musste.

     
    *

     
    Der rote Karle hasste nichts mehr als Bigotterie
und Aberglauben. Von Qualberta war er zum Stockkatholizismus geprügelt worden,
bis er beizeiten zum sekundären Atheismus konvertierte. Er hockte am Kopf des
Küchentisches und schrie: »Die Produktivkräfte platzen wie eine Seifenblase,
die Banken kriechen der Bourgeoisie in den Arsch, die Kirchen und die Bahnhöfe
verslumen, das Automobil winselt, die Politik kokst und geistig leben wir im
Mittelalter!« Er schnaufte, nahm sein Sacktuch, rotzte hinein und untersuchte
das Ergebnis. Umständlich faltete er das Tuch zusammen. Dann zitierte er mit
schweifendem Blick Karl Marx: »Die Religion ist der Seufzer der bedrängten
Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände
ist. Sie ist das Opium des Volkes.«
    »Recht hast«, sagte Marthel, im Gegensatz zu Karle eine
primäre Heidin. »Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und wusstest du, dass Marx
einfach Markus heißt? Karl Markus, Karle. Wie der Evangelist. Hoch lebe die
Verkündigung. Also sollten wir trotzdem mal nach deiner Schwester gucken, der
alten Hex. Ich hab zehnmal versucht, sie anzuläuten, und nie hob einer ab.«
    »Ich hab ihr 25 Jahr lang nicht hinterhertelefoniert, und sie
hat’s trotzdem überlebt«, sagte Karle. »Komm, gehen wir ein wenig an die
frische Luft.«
    »Ist dir nicht wohl?«, fragte Marthel alarmiert, weil es dem
roten Karle so gar nicht gleichsah, die Küche freiwillig zu verlassen. War
diesmal wirklich ein Schlägle im Anmarsch? »Schon vor ein paar Tagen bist du im
Garten gewesen, und heute hängen am Himmel sogar ein paar Schäfchenwolken.
Womöglich fängt es noch an zu regnen.«
    »Dass sie überhaupt ein Telefon hat«, sinnierte Karle, der
tattrig aufstand, an der Trainingshose herumzupfte und nach dem Kärrele griff.
»Dort unten im Loch ist doch gar nichts erschlossen. Keine einzige Leitung,
keine Kanalisation, kein Rohr, nichts. Da gibt’s nicht mal ein anständiges
Scheißhaus, verdammt noch mal.«
    »Das geht heutzutage über Satellit«, sagte Marthel, die im
Gang stand, die Lippen nachzog und die Igelfrisur zurechtzupfte, um die Löcher,
die das Alter hineingefressen hatte, zuzudecken. Wenn der Nachbar am Fenster
mit seinem Fernrohr auf sie zielte, wollte sie sich nicht nachsagen lassen,
dass sie nicht gerichtet war. »Alles geht über Satellit, wenn du mich fragst.
Auch wenn du über Satellit nicht scheißen kannst. Aber ich sag dir eins, Karle,
auch das wird noch erfunden. Saubere Absaugdüsen aus dem All.«
    Der rote Karle knurrte, weil er für Technik zuständig war.
Und Technik hieß: Metall. Späne. Präzision. Drahtlose Metallverarbeitung war
ihm suspekt. Mit dem Handy, das war wie mit den Luftkrediten: Von nix kommt
nix. Funklöcher pflasterten die Atmosphäre. Kein Wunder, dass die Kommunikation
mit dem Ding nicht funktionierte. »Lug und Trug«, sagte Karle. »So ein Malheur
aber auch. Vermaledeite Kugelfuhr.«
    Marthel tappte hinter ihm her in den Garten. »Ich will die
Sache mit dem Familiengrab so schnell als möglich hinter mich bringen. Von mir
aus kann sie das Grab haben. Neben die Rosa betten sie mich jedenfalls nicht.
Die war ihr Lebtag lang derartig umtriebig, neben der kannst du ewig keine Ruhe
kriegen.«
    »Sie ist meine Schwester«, sagte Karle. »Und damit basta.«
    »So ist es«, erwiderte Marthel. »Sie ist genau vom gleichen
Schlag wie du. Stur wie die Sau. Wenn die sich mal was in den Kopf gesetzt hat,
lässt sie nicht mehr locker. Deshalb mach ich mir ja solche Sorgen. Komisch.
Dass sie nicht längst wieder auf der Matte steht!«
    Sehnsüchtig blickte der rote Karle hoch in das Versteck mit
den kubanischen Zigarren. 5.000 Euro. 10.000 Mark für das letzte Gefecht,
Beerdigung inklusive Spesen. Herrgottsack. Da zieht’s dir doch die Schuh aus
mitsamt den Socken. Er hatte geblecht. Sie war seine Schwester. Bei allem, was
recht war. Wenn das Marthel spitzkriegte. Hoffentlich war Rosa gescheit genug,
das Maul zu halten. Wenn sie nicht

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