Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
Vom Netzwerk:
offene Fenster und sah, wie Hahnke in Ludgers
Bus davonfuhr.
    Zwei oder drei Minuten stand Irmtraud unbeweglich da. Dann
drehte sie sich um, und plötzlich fiel ein Schuss; die Kugel sirrte an ihrem
rechten Ohr vorbei, Irmtraud ließ den Schirm plotzen und schlug, von einem
Adrenalinstoß gepeitscht, mit der linken Hand an den Hals. Blut spritzte, sie
ließ die Glasscherbe fallen und spürte einen stechenden Schmerz. Die Scherbe
hatte die Halsschlagader erwischt. Mit letzter Kraft hielt Irmtraud sich an der
Tischkante fest. Fassungslos verfolgte sie, wie das herausschießende Blut die
Wände besudelte, die Teller, die Spüle, den Tisch. Irmtraud rief krächzend um
Hilfe. Sie versuchte, die Wunde mit der Hand zuzuhalten, sank in die Knie und
fiel auf die Seite. Angenehm erfrischt fühlte sie sich, als ihr nacktes Ohr den
Boden berührte, und auf einmal lag sie im warmen Wasser. Das Planschbecken war
kreisrund und aufblasbar, unten hellblau und an den Seiten durchsichtig, mit
einem Muster aus blauen und türkisfarbenen Blasen. Die Plastikfolie fühlte sich
straff an und seidig.
    Irmtraud befand sich mit dem Kopf im Wasser. Sie sah unscharf
in ein Meer greller und kalter Blautöne. Der Mund schmeckte nach Chlor. Jemand
fasste ihr an die Gurgel und drückte mit der Hand fest auf ihre Stirn. Erst war
es nur Spaß gewesen, aber jetzt bekam sie keine Luft mehr. Sie bäumte sich auf
gegen das Wasser, das von überall in sie eindrang und sie volllaufen ließ. Der
Mann, der in den Garten gekommen war und ihr den Kopf unter Wasser hielt, bis
sie das Bewusstsein verlor, war Eugen. Eugen, ihr Gatte.
    »Mamma mia!«, schrie jemand, und Irmtraud roch eine Fahne aus
Knoblauch und Tabak. Während der Italiener einen Schwall Flüche
hinterherschickte, machte er sich an ihrem Hals zu schaffen. Seine Griffe
hatten etwas Geübtes, auch wenn sie nicht verstand, was er tat. Er hob sie in
eine Schubkarre. Dann brachte er sie fort.

     
    *

     
    Der Himmel über Bardolino war bewölkt.
Feriengäste in Badekleidung kamen fröstelnd vom Seeufer. Die Strandpromenade war
unbelebt. Der Gardasee kräuselte sich, Boote glitten vorüber, Enten schaukelten
auf den Wellen. Eine Möwe saß reglos auf einem Pfahl. Von der unbeschwerten
Campingatmosphäre des Sommers war noch nichts zu spüren, obwohl sich Scharen
von Urlaubern durch den Ort wälzten.
    Fehrle gelang es mühelos, auf dem Campeggio Serenella
einzuchecken. Dort würde sich laut Frau Haselbacher auch Ludger Sachs mit
seinen Töchtern einfinden, falls er nicht rechtzeitig Lunte roch und die Kurve
kratzte. Irmtraud Haselbachers Aussage hatte den großen Dienstweg angekurbelt:
Die Öffentlichkeit versuchte, den Zeugen L. S., Stichwort Ferienhaus in der
Toskana, dazu zu bringen, sich zu stellen. Gleichzeitig wurden alle
naheliegenden Orte, wo er sich mutmaßlich aufhalten konnte, überwacht und
abgeriegelt. Doch nichts wies darauf hin, dass ein Gast erwartet wurde, der
Probleme machte. Die Schlange, in der lauter Schwaben standen, wurde zügig
abgefertigt. Weder wurden Fragen gestellt noch gab es eine aufwendige
Überprüfung der Papiere. Falls tatsächlich Zivilpolizei an der Rezeption stand,
wie Fehrle vermutete, arbeitete sie äußerst diskret. Wie ernst die Suche nach
Sachs genommen wurde, konnte er nicht einschätzen. Sachs’ Rolle bei Hahnkes
Flucht war unklar. Die Möglichkeiten reichten von zufälligem Opfer bis hin zu
Komplizenschaft.
    Fehrle lehnte am Tresen, den Rucksack zwischen die Beine
gestellt. Während er ein Anmeldeformular ausfüllte, drehte er sich um und sah
nach den Kindern. Sie warteten im Audi, den Barbara die Ferien über entbehren
musste. Fehrle fuhr am liebsten einen Mittelklassewagen, seit dem Vorjahr einen
schwarzen A4 B8 mit nach vorn verlagerter Vorderachse. Er verband optimale
Verkehrssicherheit mit einem eleganten Design und schluckte mäßig. Bei der
Trennung hatte Barbara das Auto übernommen; ein Zweitwagen war bei den
Schulden, der zusätzlichen Miete und dem Unterhalt einfach nicht drin. Die
Ausgaben überstiegen eh das, was Fehrle verdiente, und wenn es so weiterging,
musste er einen weiteren Kredit aufnehmen, um die stehenden Kredite
abzustottern, ohne an den laufenden Kosten zu verzweifeln.
    Nathan und Jorinde spielten Uno und aßen Chips. Fehrle
unterschrieb das Blatt und reichte es übern Tresen. Er war unruhig, dabei hatte
der Audi hinten die Kindersicherung. Doch aus Erfahrung wusste Fehrle, dass

Weitere Kostenlose Bücher