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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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Weihwasser. Wetten, er
fährt an den Lago Maggiore?‹
    Elfriede saß in ihrem geblümten Kleid auf dem Sofa und
spürte, wie ihr die Müdigkeit die Beine hochkroch. Es war eine großartige
Angelegenheit, 80 Jahre alt zu werden, der absolute Höhepunkt eines langen und
erfüllten Lebens, der krönende Gipfel der Schaffenskraft, doch danach ging es
stramm bergab. Alle palle, aus die Maus. Sie legte den Kopf aufs Sofapolster
und schloss die Augen. Ein paar Verse zogen an ihr vorbei, die sie selbst
geschrieben hatte. Sie versuchte nicht, sie festzuhalten. Sie hatte sich immer
für Gewalt interessiert, politisch motivierte Gewalt, die sie natürlich nicht
guthieß. Aber was war der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?
Das war seit Brecht eine der spannendsten Fragen mit immer noch steigender
Aktualität.
    »Was ist denn los, Oma?«
    »Nichts, Kind, ich bin nur etwas müde.« Die Art der
Gewalt, mit der man es hier zu tun hatte, stieß die Dutschke nur ab. Sie
verstand nichts davon. Sie konnte sich in einen Mann, der behinderte junge
Frauen misshandelte, missbrauchte und tötete, nicht hineinversetzen, und sie
brachte ihm nichts entgegen, keinen Verdammungswunsch und keine Sympathie.
Sollte Olaf Hahnke in dem Rechtsstaat, den sie sonst verachtete, seine gerechte
Strafe absitzen, sollte er durch eine der ganzheitlichen Therapien, die sie
sonst für nutzlos hielt, dauerhaft geheilt werden. Sie wünschte sich nur eines:
nicht mit ihm konfrontiert zu werden. Das war unter den gebotenen Umständen
undurchführbar. Elfriede Dutschke war immer eine engagierte Pazifistin gewesen,
sie marschierte mit von der Wiederbewaffnung über die Antiatombewegung bis zur
Friedenskette und darüber hinaus. Daher wunderte sie sich über ihre ungewohnte
Vehemenz: Falls von dem Mann noch eine Gefahr ausging, musste man handeln.
    »Genug geschlafen.« Sie sprang auf. »Muss mich nur noch ein
bisschen aufhübschen.«
    Bonnie, die mit den Stöpseln im Ohr am Fenster stand und sich
die verfilzten blonden Haare kämmte, reagierte nicht.
    Elfriede griff nach dem Handy. Im Marmorbad sah sie in den
Spiegel. Tränensäcke wie Derrick, ein Schrumpelmund wie Miss Marple, die
gleiche blecherne Topfdeckelfrisur. Kurz entschlossen rief sie Fehrle an. »Sie
sind ja wahnsinnig. Und auf dem besten Weg, sich ordentlich Ärger einzuhandeln.
Wenn Sie Ihr Arbeitgeber nicht aufknöpft, erschlägt Sie Ihre Frau. Und ich muss
ehrlich sagen, ich habe für beide größtes Verständnis.«
    »Ich bin gleich da«, sagte er in die Freisprechanlage. »Anita
hat mich schon gebeten, mich mit Ihnen und Bonnie zu treffen.«
    Er log. Anita hatte ihn höchstens aufgefordert, sie und vor
allem Bonnie in Frieden zu lassen. Elfriede sah auf die Uhr. Kurz vor sieben.
»Sagen wir, um halb neun in dem großen Restaurant im Zentrum? Der Platz ohne
Kirche, es stehen viele Tische draußen. Weiße Schirme. Gut. Das heißt, nicht
gut. Bei Ihrem letzten ungelösten Fall, der jetzt beim Bundeskriminalamt liegt,
Friede seiner Asche, hatte ich ja vorigen Monat mächtig Spaß. Eine pietistische
Sekte als Auftraggeberin der Buback-Morde, hihi. Meinen Sie, ich wüsste nicht
Bescheid? Ich weiß alles, Fehrle, und ich weiß noch mehr. Aber ich kann
schweigen wie ein Grab, wenn der Feind uns belauert.«
    »Hä?«
    »Denken Sie daran: Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut
und nicht schlecht!«, schrie die Dutschke. »Mao Tse-tung, 26. Mai 1939. Aber
das jetzt, das ist nicht mein Ding, das ist eine andere Kragenweite, verstehen
Sie?«
    »Darüber diskutieren wir später«, meinte Fehrle knapp. »Und
noch was. Wenn ich wirklich wahnsinnig wäre, würde ich mich auf eigene Faust an
Olaf Hahnke ranmachen. Bis gleich.«
    »Halt!«, rief Elfriede. »Wenn ich Ihnen sage. Sie können sich
nicht vorstellen, wie Ihr Alleingang mich ankotzt. Im Endeffekt erreichen Sie
damit nämlich gar nichts. Wieso stolpern Sie aus Leichtsinn in eine Schießerei
hinein? Wenn Sachs abhaut, werden die Ermittler ihn nicht einfach laufen
lassen. Passen Sie bloß auf Ihre Kinder auf. Ich treffe mich nur mit Ihnen, um
Schlimmeres zu verhindern.«

     
    *

     
    Nachdem sie ihre Aussage gemacht hatte,
beschloss Irmtraud Haselbacher noch am Freitagabend, dass sie die Sache selbst
in die Hand nehmen musste. Der Polizei konnte man nicht trauen, zumal Olaf
Hahnke sich nach Italien abgesetzt hatte. Bis er dort gefasst wurde, konnte es
Monate dauern. So lange wollte

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