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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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man
unter diesen Umständen nicht paranoid sein musste, um in der romantischen
Routine eines Campingplatzes ein drohendes Unheil zu wittern. Im Rucksack lag
seine Dienstwaffe. Es war nicht mehr die Walther P5, die er jahrelang getragen
hatte, sondern eine nagelneue Heckler & Koch P2000 V5 9x19 Millimeter.
    Die Sonne war bereits untergegangen, und über dem Gardasee
hing ein milchig feuchter Schleier. Der türkisfarbene Himmel war mit
orangeroten Schlieren überzogen, teilweise verdeckt von dunkelgrauen Wolken.
Die Luft roch frisch, und es war für die Jahreszeit deutlich zu kühl. Auf dem
Brenner hatte es bei ein Grad minus geschneit, und in Italien war es zehn Grad
kälter als in Deutschland, wobei es auch dort einen Temperatursturz gegeben
haben musste. Das sonnige Frühlingswetter hatte grade mal zwei Tage gedauert,
für Pfingsten war überall Regen angesagt. Trotzdem hüpften Kinder in
Badekleidung umher, mit Gummitieren im Arm. Sie zitterten und hatten blaue
Lippen.
    Timo fuhr über den Campingplatz und parkte auf dem Stellplatz
neben einem winzigen weißen Holzhaus. Nathan und Jorinde sprangen aus dem Audi.
    »Und wo sollen wir jetzt zelten?«, fragte Nathan verdattert.
    »Wir zelten nicht. Es ist zu kalt. Deshalb haben wir das da
gemietet, die Nummer 7.« Fehrle schloss die Tür auf und legte als Erstes seinen
Rucksack auf den Schrank.
    »Aber ich will zelten!«, schrie Nathan, der draußen auf einem
Bein hüpfte wie Rumpelstilzchen.
    Jorinde stand auf der Schwelle und sah sich um. Der Bungalow
bestand aus einem einzigen Raum mit zwei Stockbetten. »Ich schlafe oben!«,
brüllte sie.
    »Ich schlafe oben«, erwiderte Nathan. »Wenn ich schon nicht
zelten kann, schlafe ich oben.«
    »Ihr könnt beide oben schlafen«, sagte Fehrle und blickte
hoch auf den Schrank, auf dem sein Rucksack lag. »Dann nehm ich das Bett links
unten, und das rechte benutzen wir als Ablage. Wie wär’s, wenn wir jetzt erst
mal eine Pizza essen gehen?«

     
    *

     
    In Bischofsweiler paarte sich alteingesessenes
Handwerkertum mit sozialdemokratischer und anthroposophoid-pietistischer
Kulturschickeria. Zusammen hatten sie einen Riesenphallus errichtet: Der stolze
Maibaum überragte die Konkurrenten der Nachbargemeinden um Manneshöhe. Die
schüttere Krone schaukelte, die Bendel flatterten und die Schilder der vielfältigen
Zünfte und Vereine wackelten, so tüchtig windete es. Schon flogen die Gräser,
weil die Natur im milden Elchenbachtal im Mai viel weiter war als drumherum an
den Hängen. Barbara war mit dem Fahrrad unterwegs zu ihrem Vater und fuhr quer
übern menschenleeren Kirchplatz. Sie hoffte, dass es nicht bald zu regnen
anfing. Am Morgen hatte sie Manfred aus dem Krankenhaus geholt, weil am
Wochenende dort sowieso kein Programm war. Vom Personal blieb nur die
Notbesetzung übrig, und kein Mensch hatte Zeit, bei ihm den Blutdruck zu messen
und ihn zu füttern. Das blieb eh an der Tochter hängen. Was brachte das dann,
dauernd raus nach Schorndorf zu fahren. Sie hatte ja nicht mal das Auto. Und
versorgen konnte sie ihn auch daheim.
    Zwar wohnte Manfred nur ein paar Straßen weiter, an der
Kirche vorbei und über die Kreuzung, doch die Gegend änderte sich rapide.
Während Barbara im ökologisch durchdachten Neubaugebiet lebte, wo mehr Strom
gewonnen als verbraucht wurde und jeder Ziegel Wert auf Nachhaltigkeit legte, hauste
er am Rand des alten Ortskerns in einem Loch mit Einzelöfen, deren
Schadstoffwerte alles toppten, was vor 100 Jahren an Energiequellen auf dem
Markt gewesen war. Auf den ersten Blick wirkte das schiefe Fachwerkhäuschen
idyllisch, doch Barbara fürchtete sich vor dem nicht allzu fernen Tag, an dem
sie es erben würde. Sie hatte nicht das Geld, ein Schmuckstück daraus zu
machen, und wenn sie es in dem Zustand loswerden wollte, konnte sie es auch
gleich verschenken. Blieb nur noch die Möglichkeit, es selbst auszubauen,
anstatt wieder schaffen zu gehen. Timo musste ihr sowieso Unterhalt zahlen, und
geschickt genug auf dem Bau war sie. Am Ende vermietete sie an eine nette,
ruhige Einzelperson mit anthroposophischem Hintergrund; vielleicht an eine
nette Waldorflehrerin, die Nathan umsonst Geigenunterricht gab, und kassierte
kräftig ab. Man musste sehen, wo man blieb.
    Barbara schloss das Rad an einen Pfosten. Es dämmerte. Der
Platz war umringt von Fachwerkhäusern, einige stattlich, die Mehrzahl
bescheiden, alle wie sauber geschleckt. Für einen kurzen

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