Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenmal

Totenmal

Titel: Totenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
Vom Netzwerk:
dem die Sache meist abgehandelt wird, verstärkt den Eindruck. Das Wort ›Skandal‹ ist nur ein erhobener Zeigefinger, nicht das Rasseln der Gefängnisschlüssel im Schloss. Skandal ist die Überschreitung gesellschaftlicher Gepflogenheiten, die eine Erwähnung in den Klatschspalten der Zeitungen rechtfertigen würde. Das klingt wie das unruhige Rascheln des Herbstlaubes im Wind, flüchtig, schnell vergänglich, unwichtig, harmlos. Da wird alles unter den Teppich gekehrt, was ans Tageslicht gehört.«
    Â»Wo genau liegen eigentlich die Gesundheitsrisiken?«, fragte Malbek, um Rösner zu stoppen. Aber auch weil ihm diese Frage wichtig war.
    Â»Krebs. Wie viele Krebsfälle in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf diese Verseuchungen der Lebensmittelkette zurückzuführen sind, wird man nie beantworten können. Die Futtermittelindustrie sagt immer: Kein Grund zur Sorge. Die meisten Betriebe verhalten sich sauber. Und schwarze Schafe gibt es überall. Aber dass auch die schwarzen Schafe die Bevölkerung chronisch vergiften können, sagen die natürlich nicht!«
    Rösner schnaufte und putzte sich gründlich die Nase.
    Â»Was machen Sie beruflich?«, fragte Malbek.
    Â»Lehrer. Physik und Geografie.«
    Â»Nicht meine Lieblingsfächer.« Malbek grinste.
    Â»Was waren Ihre Lieblingsfächer?«
    Â»Religion und Gegenwartskunde.«
    Rösner sah Malbek überrascht an, kommentierte dessen Antwort aber nicht. Offensichtlich war er ein sensibler Pädagoge.
    Sie kamen an einem Schild vorbei, das im Abstand von etwa fünf Metern hinter dem Zaun stand: »Nach Dienstschluss frei laufende Hunde.«
    Â»Wir fragen uns immer wieder, wen die damit meinen. Die Geschäftsführung?« Rösner lachte. »Ermitteln Sie gegen die Betreiber?«, fragte er Malbek unvermittelt.
    Â»Nein, es geht um einen Vorbesitzer des Geländes. Der Mann hatte auf diesem Gelände zunächst nur eine Spedition. Er hat für eine Futtermittelfabrik auf der anderen Seite des Kanals Transporte gemacht. ›Tolsni‹ hieß die. Er hat sich mit dem Geschäftsführer wohl sehr gut verstanden. Die haben hier eine nicht zugelassene Mischanlage bauen lassen, in der Industriefette mit verarbeitet wurden.«
    Â»Dioxin«, sagte Rösner und nickte wissend.
    Â»Können Sie sich daran erinnern?«
    Â»Natürlich, wir haben hier und vor der Futtermittelfabrik wochenlang demonstriert. Rathke hieß der Mann, stimmt’s? Ein stämmiger Typ mit Tätowierungen.«
    Â»Kannten Sie ihn?«
    Â»Ich hab ihn nur mal am Tor erlebt, als wir Flugblätter an die Autofahrer verteilten, die hier neugierig hielten. Rathke ist tatsächlich einmal am Tor erschienen. Aber nicht um mit uns zu diskutieren. Rathke hat uns als Gesocks beschimpft. Und weg war er. Ist mit seinem Jaguar durch ein Nebentor auf der Rückseite des Grundstücks entwischt.«
    Ob Rösner wusste, dass seine Kollegin Andrea Bordevig mit Rathke zusammen war und ihn sogar geheiratet hatte? Sicher. So etwas ließ sich nicht verheimlichen. Er hatte nichts davon gesagt. Vielleicht war er froh, dass die Abtrünnige zurückgekehrt war.
    Â»Wieso interessieren Sie sich für diese Sache?«, fragte Rösner.
    Â»Diese Sache hier hat in den vergangenen Jahren böse Blüten getrieben.«
    Rösner sah ihn fragend an.
    Malbek blieb stehen. »Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Ich hoffe, Sie helfen uns trotzdem, wenn Sie mir kurz erklären, was hier damals abgelaufen ist. Ich denke, wenn es jemand weiß, dann Sie.«
    Â»Sie hätten sich mit Herrn Johann vom Landesamt für Verbraucherschutz hier verabreden können«, sagte Rösner.
    Â»Ich wollte mit Ihnen sprechen.«
    Â»Okay. Bis Anfang der Achtziger war hier eine Tierkörperverwertungsanlage, die Fette produzierte. Dann wurde die Besiedlung dichter, und der Gestank war nicht mehr auszuhalten. Die Anlage wurde abgerissen und eine Möbelfabrik errichtet. Necco-Möbel International. War bundesweit bekannt. Vielleicht erinnern Sie sich noch.«
    Malbek schüttelte den Kopf.
    Â»Mitte der Neunziger war Schluss«, fuhr Rösner fort. »Dann hat sich hier eine kleine Spedition angesiedelt. Mehrfach wechselten die Eigentümer, bis Rathke dran war. Er hat die Lagerhallen mit der Lkw-Rampe da vorn gebaut.«
    Er zeigte zu zwei schmalen, langen Hallen, die sich parallel zum Zaun

Weitere Kostenlose Bücher