Totenmal
Kripo. Sie könnten doch auch durchs Tor spazieren.«
»So einfach ist das nicht, Herr Rösner. Wenn die nicht wollen, geht da ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss fast gar nichts. Ich möchte hier aber auch nicht allzu groÃen Wirbel machen. Nur einen Eindruck gewinnen.«
Sie lieÃen zwei Lastwagen vorbeifahren, überquerten die StraÃe und gingen den Zaun entlang. »Wie lange sind Sie schon bei Eatsave?«
»Von Anfang an. Das heiÃt seit 1987.«
»Und was ist Ihre Aufgabe?«
»Aktionen vorbereiten, Flyer entwerfen. Mitgliederwerbung und Pressearbeit, wohlgemerkt für ganz Schleswig-Holstein, wir haben in allen Städten regelmäÃig Infostände. Zu den Landes- und den Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein Kontakt halten, relevante Gesetzesvorhaben durch Stellungnahmen beeinflussen. Und natürlich die Augen offenhalten und solchen Anlagen wie diesen hier regelmäÃig einen Besuch abstatten.«
»Und wie ist das Verhältnis zum fernen Berlin?«
»Sie meinen, zur Zentrale, zu unserem Vorstand?«
»Nun, ich könnte mir vorstellen, dass die Region manchmal andere Auffassungen hat als die Herren im Bundesvorstand?«
»Das kommt auch vor. Aber ich müsste mich dann mit mir selbst streiten. Ich bin nämlich seit einigen Jahren im Vorstand.«
»Das hat man uns nicht gesagt.«
Er schmunzelte. »Das schreckt die Leute manchmal ab. Aber ich bin kein Funktionär und läute die Alarmglocke, wenn ich bürokratische Tendenzen in unserem Haufen bemerke.«
»Wie viele Mitglieder haben Sie in Schleswig-Holstein?«
»Nach heutigem Stand fünfhundertdrei.« Rösner schmunzelte. »Ich hab mir das vorhin noch mal im Computer angesehen. Davon drei, die die Verwaltungsarbeit machen, soweit sie nicht in Berlin erledigt wird. Alle Landesverbände delegieren nämlich bestimmte Arbeiten nach Berlin, aus Kostengründen«, sagte er in entschuldigendem Ton. »Im Moment machen wir jede Menge Ãffentlichkeits- und Lobbyarbeit, um eine Erhöhung der Strafen bei VerstöÃen gegen das Lebensmittelrecht zu erreichen.«
Andrea Bordevig, die Aktivistin, und Benny, der skrupellose Geschäftsmann? Malbek hatte sich gefragt, wie das zusammenpasste. Na ja, damals war er ein zupackender Spediteur, der Bühnen für Musiker aufbaute und transportierte. Er kannte sicher viele berühmte Stars persönlich. Das machte ihn vielleicht interessant. Und nach seinem Ausweisfoto in der Datenbank sah er aus wie ein gutmütiger Riese mit Muskelpaketen. Es gab Frauen, die auf so etwas flogen.
Aber er hatte sich gewandelt, auf der Suche nach dem groÃen Geld war aus dem gutmütigen Riesen ein raffgieriger Giftpanscher geworden. Wann war Andrea Bordevig aufgewacht? Lüthje war vielleicht schon bei ihr und würde hoffentlich auch diese Frage klären.
»Und wie stehen die Chancen für Ihre Gesetzesänderung?«, fragte Malbek.
»Fragen Sie mich das Gleiche noch mal nächstes Jahr«, sagte er müde. »Und Futtermittelskandale wiederholen sich so sicher wie die vier Jahreszeiten. In Deutschland gab es durchschnittlich alle zwei Jahre einen Futtermittelskandal, der von den Medien beachtet wird, die vielen sogenannten kleinen und die Dunkelziffer nicht mitgerechnet. Nur als Beispiel â¦Â« Rösner war in Fahrt gekommen. Er hatte sich vor Malbek aufgebaut und gestikulierte mit den Händen, als wolle er die Jahreszahlen deutlich machen. »1999: Dioxin in belgischen Hühnern und Eiern. Bundesweit. Ein Jahr später: BSE -verseuchtes Rindfleisch überall im Handel. 2002: Nitrofen in ökologischem und konventionellem Getreide durch Lagerung in kontaminiertem Lagerhaus. Ein Jahr später: Wachstumshormon MPA in Tierfutter aus Belgien. Bundesweit. Im nächsten Jahr: Dioxin in Mischfutter. Bundesweit. Das Jahr darauf: Dioxin in Kartoffelschalen aus den Niederlanden werden an Viehzuchtbetriebe verkauft. Allerdings hab ich mit dem Wort âºFuttermittel skandal â¹, wie es immer in den Medien benutzt wird, ein Problem. Und damit bin ich anscheinend der Einzige im Vorstand.«
»Was haben Sie gegen das Wort?«
»Das Wort âºSkandalâ¹ verniedlicht die Sache. Die Verseuchung von Futtermitteln ist ein Verbrechen, das Leben und Gesundheit unzähliger Menschen aufs Spiel setzt. Wird aber immer noch behandelt wie ein bloÃes Vergehen. Der BuÃgeldbescheid, mit
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