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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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000 Soldaten um den Irak zusammengezogen, Großbritannien 45 000 und Australien 2 000. Dutzende Kriegsschiffe und fast 600 Kampfflugzeuge befanden sich vor Ort.
    Die 48 Stunden waren verstrichen. Bomben waren gefallen. Jetzt. Heute Morgen. Es war Donnerstag, der 20. März. Kurz vor dem Morgengrauen waren über Satellit gesteuerte Bomben auf eine Fernsehstation, ein Zollgebäude und andere öffentliche Gebäude in einem südlichen Vorort von Bagdad abgeschossen worden. Der Präsident verkündete im Fernsehen, dass dies der Auftakt zur ›Operation Iraqi Freedom‹ sei. Präsident George W. Bush, die merkwürdigsteLebensform, die es der amerikanischen Demokratie bisher hervorzubringen gelungen war.
    Â»â€ºOperation Iraqi Freedom‹«, wiederholte Arto Söderstedt sachlich, also in einem an diesem Ort häufig vorkommenden Tonfall, ein Erbe des pensionierten Chefs Jan-Olov Hultin.
    Das waren die einzigen Worte, die im Laufe einer halben Stunde geäußert worden waren.
    Â»Stellt euch vor, es ist so«, sagte eine Stimme, die in letzter Zeit eine Verwandlung durchgemacht hatte. Jon Anderson, das jüngste Mitglied der A-Gruppe, beteiligte sich inzwischen lebhaft an allen Diskussionen. Wenn er sie nicht selbst anstieß. Vor einem knappen Jahr war er, nach Atem ringend und mit mehreren Messerstichen im Körper, dem Tod nahe gewesen, und das in Poznan in Polen. Damals war etwas geschehen – es war eine brutale, aber für ihn notwendige Art des Coming-out gewesen. Jetzt war er offen homosexuell und zu seiner unverhohlenen Verblüffung keinerlei Repressalien ausgesetzt gewesen. Abgesehen von seiner Mutter in Uppsala, die nicht aufhören wollte zu weinen. Überraschenderweise hatte sein grundreaktionärer Vater die Nachricht besser aufgenommen. Vielleicht kam das Erbe ganz einfach von seiner Seite.
    Söderstedt blinzelte Anderson an und sagte: »Stellt euch vor, es ist was?«
    Â»Stellt euch vor, es bringt dem Irak die Freiheit«, sagte Jon Anderson.
    Söderstedt zuckte die Schultern. »Bush ist ein waschechter Ölpräsident«, sagte er schleppend. »In den Händen texanischer Ölmilliardäre. Sie wissen, dass die Ölvorkommen auf der Welt noch höchstens fünfzig Jahre reichen, und sie wissen auch, dass alles restliche Öl schon weit früher in muslimischen Händen sein wird. Jetzt geht es darum, in möglichst vielen muslimischen Ländern Marionettenregime zu schaffen. Egal, mit welchen Mitteln. Vielleicht erinnert ihr euchan das, was ich vor ein paar Jahren hierüber gesagt habe, als die A-Gruppe noch jung war …«
    Â»Diese Haltung wird zu einer Verteidigung für Unterdrückungsregime«, sagte Anderson. »Kein irakischer Schwuler, der jetzt nicht jubeln würde.«
    Â»Vielleicht auch die eine oder andere Frau«, sagte Lena Lindberg, der jüngste Zuwachs der A-Gruppe.
    Â»Ich frage mich, ob die Unterdrückung der Frau unter Saddam wirklich schlimmer ist als die, die im Krieg entsteht«, sagte Sara Svenhagen neben ihr.
    Selbst natürlich neutral, blickte Kriminalkommissarin Kerstin Holm, Chefin der A-Gruppe, über das Auditorium und versuchte sich ein Bild über die Verteilung von Kriegsgegnern und Kriegsfürsprechern zu machen. Arto Söderstedt war eindeutig Kriegsgegner, Sara Svenhagen ebenso. Jon Anderson und Lena Lindberg waren relativ klare Fürsprecher. Und Viggo Norlander? Vermutlich Fürsprecher. Und Jorge Chavez? Wahrscheinlich Kriegsgegner, und sei es nur seiner Frau Sara zuliebe. Und was war mit Gunnar Nyberg? Politisch schwer einzuschätzen und noch dazu abwesend – auf einem ausgedehnten Urlaub am Mittelmeer, um in Griechenland und Italien nach einem Haus zu suchen. Hoffentlich nicht zu nah an Bagdad. Der aufgesparte Urlaub vieler Jahre.
    Kerstin Holm hatte ihn schon nach den ersten zehn Minuten vermisst. Ungünstige Zeit, um einen langen Urlaub zu nehmen. März. Der grausamste Monat. Oder war es der April?
    Anderseits war das Mittelmeer jetzt am schönsten.
    Vielleicht spürte sie eher Neid als den Verlust …
    Sie schob sich heimlich eine Portion Kautabak unter die Oberlippe und betrachtete ihr Rudel mit dem scharfen Blick des Leitwolfs, wenngleich mittlerweile eine Spur kurzsichtig. Wie war eigentlich die Lage bei der Spezialeinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter? Stabil,aber mehr auch nicht. Dass Jon

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