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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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den Hörer ab. Sie schloss die Augen, als sie sich meldete.
    In dem gespannten Schweigen erklang Präsident Bushs wohlpräparierte Stimme: »Es ist zu spät für Saddam Hussein, er kann nicht an der Macht bleiben. Es ist nicht zu spät für das irakische Militär, ehrenvoll zu handeln und das Land zu schützen, indem es den friedlichen Einmarsch der Koalitionstruppen zulässt … Zerstören Sie keine Ölquellen, eine Quelle des Wohlstands, die dem irakischen Volk gehört. Gehorchen Sie keinem Befehl, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, gegen wen auch immer, das irakische Volk inbegriffen.«
    Kerstin Holm sagte: »Ich verstehe.«
    Das war alles. Sie saß noch einen Moment mit dem Hörer am Ohr da, und ihr Gesichtsausdruck verriet nichts.
    Dann legte sie den Höher auf, griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton leise. Sie klopfte einige Male nachdrücklich aufs Katheder.
    Â»War es nicht Gunnar?«, sagte Jorge Chavez atemlos.
    Kerstin Holm betrachtete ihn und nickte.
    Sie spürte sofort, dass es die falsche Geste war. Nicken war falsch. Sie meinte: ›Genau, Jorge. Es war nicht Gunnar.‹ Aber es wurde falsch gedeutet. Eine Welle des Entsetzens ging durch den Raum.
    Sie korrigierte sich schnell. »Nein. Nicht Gunnar. Vorzwei Minuten ist die Bankfiliale am Karlavägen überfallen worden. Zwei maskierte Räuber haben sich in der Bank verbarrikadiert und sie mit Sprengstoff gefüllt. Sie haben neun Geiseln genommen. Wir unterstützen die Reichspolizeiführung und die Nationale Einsatztruppe. Ich übernehme mit dem Chef des Reichskrim, mit Mörner und noch ein paar anderen die Einsatzleitung. Wir begeben uns zu einem Sammelpunkt am Karlavägen.«
    Â»Mörner?«, platzte Arto Söderstedt heraus. »Wahrhaftig!«
    Â»Was heißt, mit Sprengstoff gefüllt?«, fragte Sara Svenhagen.
    Â»Offenbar genug«, gab Kerstin Holm zurück, »um halb Östermalm in die Luft zu jagen.«
    George W. Bush sprach weiter.
    Aber es kam kein Wort aus seinem Mund.

6
    Niklas Grundström war Chef der Sektion für Interne Ermittlungen. Er war jetzt seit einem guten Jahr Paul Hjelms Chef, Paul Hjelms einziger Chef.
    Â»Nur damit du es weißt«, sagte er.
    Das bedeutete immer viel, viel mehr. Beispielsweise: ›Sei gefasst auf polizeiliche Fehltritte.‹ Oder: ›Wir müssen jetzt jede Sekunde ausrücken.‹ Oder sogar: ›Hoffentlich hast du dir am Wochenende nichts vorgenommen.‹
    Â»Die A-Gruppe also?«, fragte Paul Hjelm, der sich an seinem wohlproportionierten Schreibtisch im Polizeipräsidium auf Kungsholmen wohlfühlte.
    Doch, wohlfühlte.
    Unverschämt wohl, wie kleingeistige Missgunst es formulieren würde.
    Nicht einmal die Tatsache, dass die A-Gruppe wieder einmal in etwas verwickelt war, was die Sektion für Interne Ermittlungen tangierte, konnte seinem Wohlbefinden Abbruch tun. Erst waren es seine Kontroversen und Konflikte mit dem besten Kumpel Jorge Chavez letztes Jahr zu Mittsommer gewesen. Dann, erst vor Kurzem, Lena Lindbergs ungewöhnlich grobe Misshandlung eines nordfinnischen Zuhälters. Die er, gegen alle Vernunft und gegen alle Gesetze, hatte unter den Tisch fallen lassen. Nach einem Gespräch.
    Â»Nicht direkt«, sagte Niklas Grundström und beugte sich über Hjelms Schreibtisch.
    Paul Hjelm betrachtete ihn. Diese blonde, gesunde, gepflegte Straffheit, die er einst verachtet hatte, für die er aber inzwischen großen, wenn auch distanzierten Respekt empfand. Sie trugen an einer unaufgearbeiteten gemeinsamenVergangenheit, die wie das unreinste Eisenerz angereichert werden musste, um glänzen zu können. »Nicht direkt?«, fragte Paul Hjelm misstrauisch.
    Grundström setzte sein kleines Grinsen auf und legte sich die Worte zurecht. Eines nach dem anderen, bis die Formulierung perfekt geschliffen war.
    Grundström & Hjelm waren mittlerweile ein respektiertes – und zeitweilig gefürchtetes – Warenzeichen innerhalb der Polizei. Die ›Internabteilung‹, diese Schreckensbezeichnung, hatte einen ganz anderen Klang bekommen. Einerseits war die Gefahr für einen Polizisten, dass ihm Unrecht widerfuhr, stark vermindert worden, anderseits hatte die Gefahr, dass er rechtmäßig belangt wurde, erheblich zugenommen. Polizeiintendent Niklas Grundström war Chef der Gesamtsektion für Interne Ermittlungen,

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