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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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und her, bis sie eine Reihe bildeten. »Brainstormen.«
    Schneider nickte. »Whiskey. Alabama. Bar. Amerika. Ein paar Typen wollen sich besaufen und ziehen durch die Gegend. Worum geht es da noch mal genau?«
    Alex erklärte: »Der Song stammt aus einem Singspiel von Bertolt Brecht. Es geht um den Aufstieg und Fall der fiktiven Stadt Mahagonny. Darin spielen Frauen rund um die Zentralfigur Jenny eine Rolle, die sich prostituieren. Auch darüber sollten wir einmal nachdenken: Wo treffen sich in Lemfeld solche Frauen? Gibt es bestimmte Orte, an denen sie verkehren? Jedenfalls: In dem Lied singen sie zum Abschied von ihrem bisherigen Leben eine Ode an den Mond.«
    Veronika leckte sich über die Lippen. »Woraus macht man Whiskey?«
    Reineking sagte: »Wasser, Gerste und Hefe.«
    Martin runzelte die Stirn und wandte sich seinem Laptop zu. Er tippte etwas in die Tastatur.
    »Wasser, Gerste, Hefe, okay.« Veronika stand auf und zog ihren Rock straff. »Gerste wächst auf Feldern. Sie wird gedroschen. Hefe ist ein Pilz.« Sie hob eine Augenbraue. Niemand ergänzte ihre Gedankenkette.
    »Alabama«, vernahm Alex die Stimme von Kowarsch. Er las etwas vom Bildschirm seines Laptops ab. »US-Bundesstaat. Cotton State genannt, wegen des Baumwollanbaus. Das Herz des Südens. Auch als Yellowhammer State bekannt: Der Goldspecht ist das Wappentier des Staates.«
    »Gibt es hier irgendwo Nistgebiete von diesem Vieh?«, fragte Schneider.
    Alex öffnete Google und tippte Goldspecht ein. Wie es schien, kam diese Art nur jenseits des Atlantiks vor. Sie sah fragend zu Martin, der sich die Schläfen knetete und auf den Bildschirm starrte. »Du hast gesagt, dass es keine Schnapsbrennereien in Lemfeld gab. Aber bislang gehörte immer eine Historie zu den Tatorten, und die Begriffe aus den Liedern haben die Örtlichkeiten lyrisch umschrieben. Sagt dir irgendein Schlagwort etwas?«
    Martin schüttelte den Kopf.
    Schneider bemerkte: »Ich kenne einen Gasthof Zum Bunten Specht in Rüdesheim. Eine Straußwirtschaft. Leckerer Sauerbraten. Ich fahre im Herbst gerne dahin in den Rheingau, und …«
    »Gasthof Specht …«, murmelte Martin. »Gasthof Specht.«
    Noch einmal ließ er sich das Wort auf der Zunge zergehen. Eine Denkfalte bildete sich auf der Stirn. Die Adern an den Schläfen traten hervor. Alle sahen ihn an. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge wieder.
    Veronika ging um ihren Stuhl herum. Sie lehnte sich mit der Hüfte an einen Tisch und starrte auf ihre Schuhspitzen, sagte leise wie zu sich selbst: »Es muss ein Trittbrettfahrer sein. Ein Komplize. Ich kann mir das nicht erklären.« Sie machte eine hilflose Geste, blickte wieder auf und fragte: »Gasthof Specht?«
    »Ich … ich bin mir nicht sicher«, stammelte Martin.
    »Aber irgendwas klingelt da?«, hakte Schneider nach.
    Martin nickte langsam. »Ja, so eine Ahnung. Aber ich habe hier nicht die Unterlagen, um das nachzuschlagen. Ich müsste dazu ins Archiv …«
    Wenige Minuten später saß Alex mit ihm im Auto und gab Vollgas.

69.
    B ump. Bump. Bump. Rhythmisch drang das Geräusch durch das alte Gemäuer. Dazu das Rauschen.
    In aller Ruhe stellte der Mann das Stativ auf. Befestigte die Videokamera am Schwenkkopf. Richtete sie aus. Er klemmte die Kabel an die Autobatterie. Im nächsten Moment erhellten zwei Videoscheinwerfer das staubige Innere.
    Er sah eine gewaltige Achse aus Eichenholz. Jahrhundertealt. Diverse Mechaniken. Hebel. Zahnräder, ebenfalls aus Holz. Beschläge aus Eisen.
    Und er sah Jenny. Er hatte sie nackt mit Klebeband auf dem großen, runden Zahnrad unterhalb der Achse festgebunden. Sie zerrte an den Fesseln. Ihr Körper warf in dem grellen Licht lange Schatten. Weiße Atemwolken stieben aus ihrer Nase.
    Der Mann warf einen Blick aus der Glastür. Sie war zersplittert, weil er sie eingeschlagen hatte, um hereinzukommen. Der Mond versteckte sich noch hinter den schwarzen Ästen kahler Bäume. Es blieb noch ein wenig Zeit. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf bei dem Gedanken daran, dass sie, die Jägerin, womöglich schon zu ihm unterwegs sein könnte.
    Bump. Bump.
    Wenn nur dieses nervende Geräusch nicht wäre. Es musste hier doch irgendwo eine Möglichkeit geben, es zu stoppen. Er sah sich um. Folgte mit den Blicken den alten Konstruktionen und blieb an einer Mechanik haften, bei der es sich um eine Art Kupplung zu handeln schien. Er wuchtete den massiven Hebel herum. Augenblicklich stoppte das hohle Geräusch. Er nickte zufrieden und verlor sich in

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