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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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worden?«
    »Haben sie wohl, aber die Ergebnisse liegen noch nicht vor.«
    »Und das dienstliche?«
    Schneider zuckte mit den Achseln. »Ich denke, dasselbe. Warum?«
    »Vorausgesetzt, er ist nicht der Täter – dann kann es einfach kein Zufall sein, dass genau die Frauen ermordet worden sind, die Kontakt zu ihm hatten. Und ich könnte schon viel mehr wissen, wenn Veronika mich mit Hankemeier reden lassen würde oder ich wenigstens Akteneinsicht bekäme oder die Videoaufzeichnungen der Vernehmung …«
    Schneider schnitt Alex das Wort ab. »Es könnte ihm jemand an den Hacken kleben. Den Gedanken hatte ich ja schon einmal. Hankemeier könnte der Köder für die Beute sein, ohne selbst davon zu wissen. Jemand überwacht seine Kommunikation oder beschattet ihn. Jemand, der in seinem Kielwasser schwimmt, ihn bestrafen will oder neidisch auf ihn ist. Oder aber: Die Sache mit einem Komplizen stimmt, Hankemeier steckt bis zur Halskrause mit in der Sache und ist ein gerissener Hund.«
    Alex nickte langsam.
    Schneider stand auf und warf einen Blick auf die Uhr. »Wie dem auch sei: Uns läuft die Zeit davon.«

68.
    D ie Kommission unter der Leitung von Veronika Martens war vollzählig im Lage- und Besprechungsraum versammelt und ging seit Stunden sämtliche Details durch – bislang ergebnislos. Inzwischen war es draußen bereits dunkel, und als polizeilicher Berater war Dr. Martin Ruppel, der Stadtarchivar, erschienen. Alex hatte ihn um Unterstützung gebeten, weil es einen neuen Songtext gab, und bislang waren Martins Hinweise zu den Liedern sehr hilfreich gewesen.
    Deshalb gab es nun nur noch ein Thema, den Alabama Song von Kurt Weill aus Brechts Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny in der Version der Doors. Gerade klangen die letzten Töne aus den Boxen neben der Beamer-Leinwand. Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen.
    Dann ergriff Alex das Wort: »Er erzählt uns wieder etwas über sich und das, was er tut und wo er es tun wird.« Sie markierte auf dem vor ihr stehenden Laptop mit der Maus einige Textstellen farbig. Der Beamer warf die betreffenden Abschnitte rot unterlegt auf die Leinwand.
    Sie übersetzte: »Wir haben unsere Mutter verloren. Wenn wir nicht das nächste kleine Mädchen finden, müssen wir sterben.« Sie machte eine Pause. »Bemerkenswert daran ist, dass er im Plural von sich spricht. Die Passagen sagen, dass der Verlust seiner Mutter die Ursache für sein Handeln ist – und der Drang zu töten so groß, dass er das Gefühl hat, ansonsten selbst sterben zu müssen.«
    »Warum spricht er in der Mehrzahl von sich?«, hakte Reineking nach.
    »Vielleicht mag er den Pluralis Majestatis – ein Hinweis darauf, dass er sich für ein überlegenes Wesen hält. Die andere Antwort wäre profaner: Dass er nicht allein ist, sondern sein Schicksal mit jemandem teilt.«
    »Vielleicht«, sagte Schneider, »ist das auch Zufall und steht halt im Text so drin.«
    Alex rollte mit den Augen. »So einfach denkt dieser Mann aber nicht.«
    Schneider zuckte mit den Schultern. »Mit wem soll er denn das Schicksal teilen? Mit seinen Opfern?«
    Alex wollte gerade antworten, da kam ihr Veronika zuvor. »Vorrangig sollten wir uns auf die Ortsbeschreibung konzentrieren.« Sie wandte sich Dr. Martin Ruppel zu, der den Ernst der Lage zu begreifen schien. Und auch, welche Bedeutung ihm zukam. »Dr. Ruppel?«
    Martin breitete die Arme in einer hilflosen Geste aus. Dann spielte er nachdenklich mit dem Reißverschluss seiner Fleecejacke und starrte Alex an. »Ich muss zugeben, ich bin mit der Situation etwas überfordert.«
    »Wenn wir nicht die nächste Whiskey-Bar finden, müssen wir sterben«, zitierte Alex. »Mond von Alabama. Zeig mir den Weg zum nächsten Mädchen. Denk nach, Martin.«
    Ruppel wischte sich über den Kopf und funkelte Alex an. Er klopfte nervös mit den Fingern auf einige Hefte und Bücher zur Lemfelder Ortsgeschichte, die er aus dem Stadtarchiv mitgebracht hatte. Schließlich stieß er die Atemluft in einem tiefen Seufzer aus. »Es hat in Lemfeld nie eine Whiskey-Destillerie gegeben. Und auch nichts, das Alabama hieß. Das alles sagt mir reinweg gar nichts.«
    »Dann spielen wir halt Scharade«, sagte Schneider und streckte sich. »Oder Activity oder wie das heißt. Begrifferaten, Montagsmaler, keine Ahnung.«
    Veronika sah Rolf entgeistert an. Reineking zuckte mit den Augenbrauen und verschränkte die Arme.
    »Clustern, meinst du«, erklärte Alex und schob einige Textmarker vor sich so lange hin

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