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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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dringend eine Idee.
    »Nun tritt vor den Bohfimah.« Berners Stimme zitterte vor Erregung. Seine Blicke klebten an Alex’ Körper. Ihre Brust hob und senkte sich.
    »Was«, fragte sie, um Fassung bemüht, »wird danach mit Mia geschehen?«
    »Ich lasse sie gehen.«
    »Welche Garantie habe ich dafür?«
    »Keine. Nur mein Wort. Vielleicht wirst du umsonst sterben. Vielleicht auch nicht.«
    Alex ballte die Hände zu Fäusten. Gab es eine Wahl? Gab es nicht. Sie setzte einen Fuß vor den anderen und trat in den Kreis aus Kerzen ein. Langsam nahm Berner seine Waffen zur Seite. Mia schüttelte immer wieder den Kopf. »Tu das nicht«, sagten ihre Augen.
    »Schhhh«, machte Alex, als sie neben Mia stand. Tröstend strich sie ihr über die zerzausten Haare und schenkte ihr ein Lächeln. »Alles wird gut. Es ist meine Entscheidung«, sagte Alex leise. »Was auch passiert – vergiss das niemals. Schuld an allem sind nur dieser Mann und ich. Niemand sonst.«
    Berners Hand schnellte nach vorne. Eine der Keulen presste sich gegen Alex’ Unterleib. Die Raubtierkrallen bohrten sich schmerzhaft unterhalb des Bauchnabels in die Haut und ritzten sie ein.
    »Sprich nicht von Schuld«, fauchte er. Alex keuchte. Mia gab ein ersticktes Schluchzen von sich. »Tritt vor den Bohfimah.«
    Ein weiteres Mal strich Alex über Mias Haare. Dann ging sie an Berner vorbei und stand vor dem grauenhaften Götzen. Alex zwang sich, nicht durch die Nase zu atmen. Der Lederbeutel war an zahlreichen Stellen von daumendicken Holzspießen durchstochen und mit Fleischteilen gespickt, die wahrscheinlich von Berners Opfern stammten. Links und rechts daneben befanden sich zwei mannshohe Schaukästen. Sie sahen aus wie Glassärge und enthielten aufrecht stehende Mumien. Ihre schiefen, vertrockneten Gesichter starrten Alex aus leeren Augenhöhlen an. Die verrenkten Kiefer waren wie zu einem tonlosen Schrei geöffnet.
    Auf den Schultern spürte sie nun seine Krallen. Berners heißer Atem strich über ihren Nacken. Alex schloss für einen Moment die Augen. War das das Ende? Nein, dachte sie. Nie im Leben.
    »Es hat sicher weh getan«, sagte sie leise, »dass Ihre Adoptivmutter eine Puppe bevorzugt hat. Der Bohfimah und die Kraft des Leoparden werden das nicht wiedergutmachen.«
    Berner lachte leise. Eine Kralle rutschte über Alex’ Rücken. Ein scharfer Schmerz flammte zwischen ihren Schulterblättern auf. Etwas Warmes rann herab.
    »Was weißt du schon davon …«
    »Ich war in Afrika«, presste Alex hervor. »Ich bin der Spur des weißen Leoparden gefolgt. Ihrer Spur.«
    Die Kralle an Alex’ Rücken hielt inne.
    »Jeder dort weiß, dass der Jäger immer nur so stark ist wie der, der ihn jagt. Was werden Sie tun, wenn Sie mich getötet haben? Wer werden Sie dann noch sein?«
    Die andere Kralle löste sich von Alex’ Schulter. Sie spürte Berners Hand, die über ihre aufgeritzte Haut strich.
    »Und jetzt«, flüsterte Alex, »wo Sie mich vermeintlich besiegt haben, stellen Sie fest, dass Sie in Wahrheit verloren haben. Sich selbst verloren.« Alex schwieg einen Augenblick und beschloss, dass es nun an der Zeit war, auf eine persönlichere Ebene zu wechseln. »Ich sollte dich jagen, um dich zu befreien, nicht? Wenn du mich nun tötest, musst du es selbst beenden. Und dazu hast du nie die Kraft gehabt und wirst sie auch weiterhin nicht haben.« Alex machte eine Pause. Berner schien zu zögern. »Und in Wahrheit«, fuhr sie fort, »hast du dir doch ganz andere Dinge ausgemalt, die du mit mir anstellen willst. Du hast mich verfolgt, unter meinem Fenster gelauert. Du hast doch nicht nur davon geträumt, mich zu töten – zumindest nicht sofort.«
    Der Atem in ihrem Nacken ging schneller. Eine Hand wanderte an ihre Hüfte. Die andere ebenfalls. Von den Krallen war nun nichts mehr zu spüren.
    Jetzt, dachte Alex.
    Alex riss die Arme hoch und fasste nach dem Bohfimah. Sie tauchte nach rechts weg und schwang den Fetisch wie einen Boxsack so stark sie konnte in Berners Richtung. Er gab ein Stöhnen von sich, als sich die Holzspieße in seine Wange und den Unterkiefer bohrten. Er ließ seine Krallen fallen und griff nach seinem Gott, um ihn sich mit einem unmenschlichen Brüllen aus dem Gesicht zu reißen.
    Alex taumelte zu einem der Glaskästen mit den Mumien und stieß ihn in Berners Richtung vom Sockel. Der gläserne Sarkophag stürzte um, traf Berner an der Schulter und zerplatzte schließlich in einem Regen aus Scherben, als er auf dem Boden aufschlug. Mit

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