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Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan

Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Meter fünfzig groß gewesen war.
    Obwohl ich jeden Knochen und jedes Knochenfragment untersucht hatte, konnte ich keinen Hinweis auf Gewalteinwirkung entdecken. Ein paar Kratzer in der Nähe des rechten Gehörgangs wirkten oberflächlich und unter dem Mikroskop v-förmig. Ich vermutete, dass es sich bei diesen Spuren um postmortale Artefakte handelte, verursacht durch den Kontakt mit dem Erdreich oder durch Achtlosigkeit bei der Umbettung in die Kiste.
    Die Zähne zeigten Hinweise auf nachlässige Pflege, jedoch keinen einzigen auf eine zahnärztliche Behandlung.
    Nun wandte ich mich dem postmortalen Intervall zu. Wie lange war das Mädchen schon tot? Wenn man nur trockene Knochen zur Verfügung hat, ist die Bestimmung des PMI eine harte Nuss.
    Der menschliche Körper ist ein kopernikanischer Mikrokosmos, der aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff besteht. Das Herz ist die Sonne, der Lebensquell für jedes Stoffwechselsystem in der Galaxie.
    Wenn das Herz aufhört zu pumpen, kommt es zum zytoplasmischen Chaos. Zellenzyme machen sich wie Kannibalen über die körpereigenen Kohlenwasserstoffe und Proteine her. Zellmembranen platzen auf und geben so Nahrung frei für Armeen von Mikroorganismen. Bakterien im Darm fressen sich nach außen. Umgebungsbakterien, Aas fressende Insekten und andere Tiere fressen sich nach innen.
    Lagerung in Erdreich oder Wasser oder Einbalsamierung verlangsamt den Verwesungsprozess. Gewisse mechanische oder chemische Agenzien beschleunigen ihn.
    Wie lange dauert es also, bis Staub wieder zu Staub wird?
    Bei extremer Hitze und Feuchtigkeit tritt der Bindegewebsverlust schon binnen drei Tagen ein. Aber das ist ein absoluter Rekord. Unter normalen Bedingungen, in einem flachen Grab etwa, braucht eine Leiche sechs Monate bis ein Jahr, um zum Skelett zu werden.
    Das Eingeschlossensein in einem Keller kann dies verlangsamen. Das Eingeschlossensein in einem Keller in der Subarktis kann dies sehr deutlich verlangsamen.
    Welche Fakten hatte ich?
    Die Leichen wurden in flachen Gräbern gefunden. War das die ursprüngliche Begräbnisstelle? Wie bald nach dem Tod waren sie dort vergraben worden?
    Mindestens zwei waren gekrümmt worden, man hatte ihnen die Knie an die Brust gerückt. Mindestens eine war in eine Umhüllung aus Leder eingewickelt worden. Darüber hinaus wusste ich rein gar nichts. Feuchtigkeit. Säuregehalt des Erdreichs. Temperaturschwankungen.
    Was konnte ich also sagen?
    Die Knochen waren trocken, unverbunden und ohne Fleisch oder Geruch. Fleckenbildung war vorhanden, in einige Schädel- und Markhöhlen war Erde eingedrungen. Die Mädchen waren nackt und anonym und ohne Artefakte verscharrt worden, es sei denn, Claudels Knöpfe gehörten tatsächlich zu dem Fund.
    Die beste Schätzung: mehr als ein Jahr und weniger als ein Jahrtausend. Ein gefundenes Fressen für Claudel.
    Frustriert packte ich LSJML-38426 zusammen, war jedoch fest entschlossen, noch eine ganze Menge Fragen zu stellen.
    Ich breitete eben LSJML-38 427 auf meinem Tisch aus, als hinter mir das Telefon klingelte. Verärgert über die Unterbrechung, nicht zuletzt deshalb, weil ich eine Neuauflage von Claudels arrogantem Zynismus erwartete, riss ich mir die Maske herunter und packte den Hörer.
    »Brennan.«
    »Dr. Temperance Brennan?« Eine weibliche Stimme, zitternd und unsicher.
    » Oui. «
    Ich schaute auf die Uhr. In fünf Minuten hätte die Telefonzentrale auf Nachtdienst umgeschaltet.
    »Ich hätte gar nicht erwartet, dass ich wirklich Sie persönlich dranbekomme. Ich meine, ich dachte, dass sich noch eine Sekretärin meldet. In der Telefonzentr …«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?« Da sie Englisch sprach, tat ich es auch.
    Eine Pause entstand, als würde die Anruferin tatsächlich über diese Frage nachdenken. Im Hintergrund konnte ich etwas hören, das wie Vogelgezwitscher klang.
    »Nun, ich weiß auch nicht. Ich dachte mir, dass ich vielleicht Ihnen helfen könnte.«
    Toll. Da will sich mal wieder jemand wichtig machen.
    Die Angehörigen der Spurensicherungsteams sind normalerweise keine Wissenschaftler. Sie sind Techniker. Sie sammeln Haare, Fasern, Glasfragmente, Farbsplitter, Blut, Sperma, Speichel und andere materielle Indizien. Sie nehmen Fingerabdrücke. Sie fotografieren. Wenn die Sachen verpackt, beschriftet und in Listen vermerkt sind, ist die Arbeit der Spurensicherung beendet. Keine High-Tech-Zauberei. Keine von Adrenalin befeuerte Beschattung. Keine bleisatten Schießereien.

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