Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Quadrat aufleuchten und mir sagen würde, dass ein Anruf hereinkam. Ich trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Zog an der Telefonschnur. Ließ die Spiralen wieder zurückschnellen.
Warum meldete die Frau sich nicht noch einmal? Sie hatte die Nummer. Moment mal. Hatte sie nicht einen früheren Anruf erwähnt? Hatte sie das Gefühl, dass ich sie abwimmeln wollte? Dass ich einfach aufgelegt hatte? Hatte sie es aufgegeben?
Ich zog die Schreibtischschublade auf. Suchte nach einem Stift. Schloss die Schublade wieder.
Hatte die Anruferin nicht erwähnt, dass sie wegfahren wollte? Von zu Hause? Aus der Stadt? Aus der Provinz? Nur für einen Tag? Für immer?
Ich unterteilte Dreiecke in kleinere Dreiecke und schalt mich wegen meiner Nachlässigkeit, als mein Handy klingelte. Ich stürzte zu meiner Handtasche und zog es heraus.
»Mrs. Gallant?«
»Galant hat man mich schon öfters genannt, aber noch nie Mrs.«
Ryan.
»Ich dachte, du bist jemand anders.«
Schon als ich es sagte, merkte ich, wie dumm es war. Mrs. Gallant/Ballant/Talent hatte über die Telefonzentrale angerufen. Meine private Handynummer konnte sie unmöglich kennen.
»Es macht mich fertig, so viel Enttäuschung in deiner Stimme zu hören.«
Ich setzte mich wieder und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. »Du bist bezaubernd, Ryan. Meine Enttäuschung hat mit einem Fall zu tun.«
»Mit was für einem Fall?«
»Die Skelette aus dem Pizzakeller.«
Während ich redete, behielt ich immer das Signallämpchen meines Festnetzanschlusses im Auge. Ein Blinken, und ich würde mich in meine Mailbox einschalten.
»Hat der heutige Tag dir das Vergnügen von Claudels Gesellschaft beschert?«
»Er war hier.«
»Allein?«
»Der Rest der Matrix-Agenten hatte keine Zeit.«
»Claudel kann ein bisschen halsstarrig sein.«
»Claudel ist ein Neandertaler. Nein. Ich tue dem Paläolithikum Unrecht. Der Neandertaler hatte bereits ein voll entwickeltes Homo-sapiens-Hirn.«
»Mit Claudels Hirn ist alles in Ordnung. Er legt nur zu viel Wert auf frühere Erfahrungen und althergebrachte Vorgehensweisen. Wo war Charbonneau?«
»Zwei Prostituierte wurden angegriffen. Eine ist tot. Die andere liegt schwer verletzt im Notre-Dame-Krankenhaus.«
»Davon habe ich gehört.«
Natürlich. Irritation keimte auf.
»Ich glaube, der Manager der beiden Damen wurde zu einer Befragung geladen.«
»Du musst es ja wissen.«
Entweder ignorierte Ryan die Verärgerung in meiner Stimme, oder er hatte sie gar nicht gehört.
»Was will Claudel mit deinen Knochen anstellen?«
»Leider sehr wenig.«
»Ich wüsste schon, was ich mit deinen Knochen anstellen möchte.«
»Gestern Abend hatte das für dich aber keine Top-Priorität.« Doris mischte sich ein, bevor ich sie daran hindern konnte.
Ryan erwiderte nichts.
»Alle drei Skelette sind Überreste von jungen Mädchen.« Ich ruderte zurück.
»Frisch?«
»Claudel hat dem Besitzer der Pizzabude ein paar Knöpfe abgenommen, die der angeblich bei einem der Skelette gefunden hatte. Eine Expertin des McCord beurteilte sie als neunzehntes Jahrhundert.«
»Lass mich raten. Claudel hat kein Interesse an etwas, das er als prähistorisch betrachtet?«
»Komisch, wo er doch den Kopf seit dem Neolithikum in seinem Arsch stecken hat.«
»Haste einen schlechten Tag, Sonnenschein?« Die Belustigung in Ryans Stimme ärgerte mich. Dass er keine Anstalten machte, den überstürzten Aufbruch am vergangenen Abend zu erklären, ärgerte mich. Mein Verlangen nach einer Erklärung ärgerte mich.
Wie lautete Annes Philosophie? Nie erklären, nie beschweren.
Recht hast du, Anne.
»Diese Woche war nicht gerade ein Picknick«, sagte ich und starrte weiter das Telefon auf meinem Schreibtisch an. Das kleine Quadrat blieb frustrierend dunkel.
»Claudel ist ein guter Polizist«, sagte Ryan. »Manchmal braucht er einfach mehr Überredung als wir intuitiv helleren Köpfe.«
»Er hat eine Entscheidung getroffen.«
»Beweise ihm das Gegenteil.«
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
Ein kurzes Schweigen. Ryan brach es.
»Was meinst du, wie alt diese Knochen sind?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Mädchen alle zur selben Zeit gestorben sind.«
»Zahnbehandlungen?«
»Ich konnte nichts feststellen.«
Wieder Schweigen.
»Was sagt dir dein Bauch?«
»Diese Knochen waren noch nicht allzu lange in dem Keller.«
»Soll heißen?«
»Wir sollten sie ernst nehmen.«
Wieder ignorierte Ryan meinen
Weitere Kostenlose Bücher