Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
»Stepford Wives«, deren Welt an der Haustür endet. Frauenunterhaltungen, die sich auf Tennis, Golf und Fahrgemeinschaften beschränkten.
Ich glaubte schon nicht mehr, jemals eine Freundin und Vertraute zu finden, als ich Anne bei einer örtlichen Wohltätigkeitsveranstaltung sah. Genauer gesagt, hörte. Magnolie aus Stahl mit Matrosenmundwerk.
Ich peilte sie an. Dieselbe Wellenlänge.
Wir halfen unseren Kindern über gebrochene Knochen und gebrochene Herzen hinweg. Zwanzig Jahre lang waren unsere Familien unzertrennlich: gemeinsame Camping- und Skiausflüge, Thanksgiving-Festmahle, Taufen und Beerdigungen. Bis zum Zusammenbruch meiner Ehe hatten die Turnips und die Petersons keinen Sommer am Meer ausgelassen. Inzwischen fahren Anne und ich alleine an den Strand.
»Was hast du den Kindern gesagt?«
»Nichts. Ich bin noch nicht richtig aus dem Haus ausgezogen. Ich mache praktisch Urlaub von zu Hause. Ich reise.«
»Aber …«
»Ich will nicht mehr über mich reden. Reden wir lieber über dich. Woran arbeitest du gerade?«
Wenn Anne bei einem Thema zumacht, ist jedes weitere Wort überflüssig.
Ich fasste den Pizzakeller-Fall kurz zusammen und erzählte ihr von meiner Frustration über meinen Busenfreund Claudel.
»Den kriegst du schon noch rum. Das hast du bis jetzt immer geschafft. Triffst du dich mit irgendjemand?«
»So in der Richtung.«
Der Kellner räumte die Salatschüsseln ab und servierte den Hauptgang. Lasagne für Anne. Piccata milanese für mich. Anne bestellte noch ein Glas Wein, griff dann zur Käsereibe und streute sich Parmesan auf ihre Nudeln. Ich beschloss, das Thema Tom noch einmal anzuschneiden.
»Um was genau geht’s dir eigentlich bei diesem neuen Persönlichkeitsentwicklungs-Programm?« Ich gab mir Mühe, nicht allzu sarkastisch zu klingen.
»Erfüllung. Selbstachtung. Wertschätzung.« Sie stellte die Reibe wieder auf den Tisch. »Und schlag’s gar nicht erst vor. Auf Entziehung gehe ich nie wieder.«
Einige Augenblicke lang aßen wir schweigend. Als Anne dann wieder sprach, klang ihr Ton etwas unbeschwerter, aber irgendwie auch gekünstelt.
»Von dem Typen auf 3C habe ich mehr Aufmerksamkeit bekommen als von Tom in den ganzen letzten zwölf Monaten. Der Junge ist wahrscheinlich jetzt gerade unterwegs, um mir Gardenien zu kaufen.« Anne trank einen Schluck Wein. »O Mann, wahrscheinlich ist dein Anrufbeantworter jetzt schon voll mit seinen Nachrichten.«
»Was für ein Junge auf 3C?«
»Ein süßes Bürschchen, das ich im Flugzeug kennen gelernt habe.«
»Du hast ihm meine Telefonnummer gegeben?«
»Er ist harmlos.«
»Woher willst du wissen, dass er harmlos ist?«
»Er saß in der ersten Klasse.«
»Die netten Jungs, die ins World Trade Center gerast sind, ebenfalls.«
Meine Freundin schaute mich an, als hätte ich ihr vorgeschlagen, sich einen Fuß abzuhacken.
»Jetzt macht dir nicht gleich in die Hose, Tempe. Ich habe ja nicht vor, mit dem Kerl tatsächlich was anzufangen.«
Ich konnte das alles kaum glauben. Ich bin extrem vorsichtig, wenn es darum geht, meine private Telefonnummer herauszugeben. Aber Anne hatte sie unbekümmert einem vollkommen Fremden in die Hand gedrückt, der auf der Suche nach ihr möglicherweise bei mir anrief.
»Ich hatte ein paar Manhattans«, fuhr sie fort, ohne zu merken, wie verärgert ich war. »Wir haben uns unterhalten. Er fragte mich, wie er mich erreichen kann. Ich habe ihm die Sachen auf eine Serviette geschrie …«
»Sachen? Soll das heißen, auch die Adresse?«
»Ich bin mir sicher, der Kerl hat den Fetzen weggeworfen, kaum dass er das Flugzeug verlassen hatte. Wie ist dein Kalbfleisch?«
Im Gegensatz zur Unterhaltung war das Fleisch perfekt.
»Gut«, murmelte ich. Also rief der Kerl vielleicht gar nicht an. Vielleicht tauchte er einfach an meiner Haustür auf.
»Mein Essen ist parfait. Siehst du, was ich meine? Ich fühle mich schon jetzt in einer ganz anderen Galaxie als in Clover, South Carolina.« Anne ließ die Gabel in der Luft kreisen. » Québec! La belle province! C’est magnifique! «
Man wirft mir gelegentlich vor, Französisch mit Südstaatenakzent zu sprechen. Doch Annes Aussprache stellte das alles in den Schatten.
»Das ist jetzt nur so eine Art Besinnungsintermezzo, nicht? Urlaub von der Ehe?«
Als ich noch mit Pete verheiratet war, machten Anne und ich oft Witze über den »Urlaub von der Ehe«. Das war unser Codename für »Ausflug ohne Männer«.
»Ich könnte eine Woche tot sein, und Tom
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