Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
C-14-Altersangaben und blätterte dann zu den Graphiken.
Bilder stürzten auf mich ein.
Ich druckte den Bericht aus und machte mich auf den Weg ins Labor.
LaManche war in seinem Büro. Seit meinem letzten Besuch hatte entweder er oder seine Sekretärin einen Keramik-Weihnachtsbaum dem Chaos auf seinem Schreibtisch hinzugefügt.
Ich klopfte leicht mit den Knöcheln an die Tür.
LaManche hob den Kopf.
»Temperance. Bitte kommen Sie herein. Haben Sie es schon gehört?«
Ich sah ihn verwirrt an.
»Die Geschworenen haben Monsieur Pétit in allen Punkten für schuldig befunden.«
»Wann?«
»Gestern.«
»Das ging aber schnell.«
»Als die Staatsanwältin anrief, meinte sie, Ihre Gutachteraussage habe den Ausschlag gegeben.« LaManche schaute auf die Papiere in meiner Hand. »Aber Sie sind offensichtlich aus einem anderen Grund hier.«
»Ich habe die C-14-Ergebnisse.«
»Das ging aber auch schnell.« Überrascht.
»Dieses Labor arbeitet sehr effizient.« Von den Zusatzkosten sagte ich nichts.
LaManche stand auf und setzte sich mit mir an einen kleinen ovalen Tisch neben seinem Schreibtisch. Ich breitete die Ausdrucke aus, und wir beugten uns darüber.
»Zwei Variablen sind wichtig«, sagte ich. »Die Radioaktivität eines bekannten Standards und die Radioaktivität unserer unbekannten Probe. Über das Phänomen der atmosphärischen Atomtests und ihre Auswirkungen auf die C-14-Pegel haben wir bereits gesprochen, also nehmen wir einfach an, dass der Standardwert für C-14 im Jahr 1950 hundert Prozent ist. Jeder Wert darüber bedeutet ›Bomben‹ - oder modernes Karbon und deutet auf einen Tod hin, der nach 1950 eintrat.«
Ich deutete auf die letzte Zahl in der Spalte mit der Überschrift »Gemessenes Karbon-Alter«.
»Der pMC-Wert für LSJML 38 428 ist 120,5, plus oder minus 0,5.«
»Ein Anteilswert an modernem Karbon, der deutlich über hundert Prozent liegt.«
»Ja.«
»Und das bedeutet, dass dieses Mädchen nach 1950 gestorben ist.«
»Ja.«
»Wann nach 1950?«
»Das ist kniffelig. Als die atmosphärischen Tests 1963 verboten wurden, waren die pMC-Werte bis auf einhundertneunzig Prozent gestiegen. Aber was hochgeht, muss auch wieder runterkommen. Ein pMC-Wert von einhundertzwanzig könnte deshalb einem Punkt auf dem aufsteigenden Ast der Kurve entsprechen, als die Werte noch anstiegen, oder einem Punkt auf dem absteigenden Ast, als die Werte wieder sanken.«
»Und das heißt?«
»Der Tod könnte in den späten Fünfzigern oder Mitte bis Ende der Achtziger eingetreten sein.«
LaManche machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Es wird noch schlimmer. Der gegenwärtige pMC-Wert liegt bei einhundertundsieben Prozent.« Ich deutete auf die Werte für LSJML-38 426 und LSJML-38 427.
» Mon dieu. «
»Diese Mädchen starben entweder schon Anfang der Fünfziger oder erst in den frühen Neunzigern.«
»Sie werden Monsieur Claudel über die Ergebnisse informieren?«
»O ja«, sagte ich. Mit Nachdruck.
LaManche legte die Fingerspitzen aneinander und klopfte damit gegen die Unterlippe.
»Falls diese Mädchen in den letzten zwanzig Jahren verschwanden, ist es möglich, dass sie in der Datenbank sind. Wir müssen die Beschreibungsmerkmale, die wir haben, ans CPIC schicken.«
LaManche meinte das Canadian Police Information Centre, das Äquivalent des US-amerikanischen NCIC, des National Crime Information Centre.
CPIC und NCIC, die von der RCMP, der Royal Canadian Mounted Police, und vom FBI betrieben werden, sind riesige Datenbanken mit kriminologisch relevanten Informationen, darunter Vorstrafenregister, Details über Flüchtige und gestohlene Gegenstände sowie Daten über vermisste Personen. Die Datenbanken stehen Strafverfolgungs- und anderen polizeilichen Behörden vierundzwanzig Stunden am Tag und dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr zur Verfügung.
Als wir aufstanden, legte LaManche mir eine Hand auf die Schulter.
»Wir müssen uns ranhalten, Temperance. Wir müssen dieser Sache auf den Grund gehen.«
»O ja«, erwiderte ich, noch einmal mit Nachdruck.
Dreißig Sekunden später saß ich in meinem Büro und telefonierte mit Claudel. Doch er trug zu dem Dialog nur sehr wenig bei.
»Nicht so schnell.«
»Drei-acht-vier-zwei-sechs«, wiederholte ich in einem Tempo, das ein Faultier produziert hätte, wenn es Französisch sprechen würde. »Weiblich.« Pause. »Weiß.« Pause. »Alter sechzehn bis achtzehn.« Pause. »Größe einhundertsiebenundvierzig bis einhundertsiebenundfünfzig
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