Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
überhaupt?«
Ryan wollte etwas sagen. Ich schnitt ihm das Wort ab.
»Ich habe die Nase voll von Claudel. Charbonneau ist der Einzige, der mich mit Respekt behandelt.«
»Claudel hat eben seine eigene Art, gewisse Dinge zu tun.«
»Die haben Echinoderme auch.«
»Du urteilst zu streng über Claudel. Was sind Echinoderme?«
Das brachte das Fass zum Überlaufen.
» Ich urteile zu streng über ihn? Von Anfang an musste ich gegen diesen narzisstischen kleinen Pedanten ankämpfen, damit er mich ernst nimmt. Damit irgendjemand mich ernst nimmt.«
Ich war kurz davor, den Stift zu zerbrechen.
»Die Knochen sind zu alt. C-14 ist zu teuer. Die Mädchen waren Nutten. Louise Parent starb im Schlaf. Alte Damen tun so was. Sie sind bekannt dafür.«
»Ich meinte damit eigentlich das Sabbern.«
»Siehst du!« Ich stieß mit dem Stift nach Ryan. »Deine Schnoddrigkeit ist auch nicht viel besser.«
»Tempe …« Ryan streckte den Arm aus, um mich zu berühren. Ich wich zurück.
»Natürlich. Hab ich ganz vergessen. Du liebst mich. Aber du liebst viele Sachen. Ziegenkäse. Sittiche. Die Meerjungfrauen von Weeki-Wachee.«
Ryan öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ich schnitt ihm das Wort ab.
»Okay. Du liebst mich. Du hast einfach keine Zeit, mit mir zusammen zu sein.«
Ich stürmte weiter, all die aufgestaute Frustration brach nun auf einmal aus mir heraus.
»Und plötzlich hast du Zeit für ein Abendessen. Am Samstagabend. Was für ein glückliches Mädchen ich doch bin.«
Die Worte spritzten heraus wie Wasser aus einem Schleusentor.
»Was ist mit der Arbeit? Was ist mit deiner« – ich malte Anführungszeichen in die Luft – »Nichte?«
Der Stift prallte von der Schreibunterlage ab und segelte auf Ryan zu. Er wehrte ihn mit erhobener Hand ab.
Ich sprang auf.
»O Gott, das tut mir Leid. Ich wollte dich nicht treffen.«
Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und hielt mir die Hände vors Gesicht. Meine Wangen waren warm und feucht.
»O Mann. Was ist denn nur los mit mir?«
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter.
Ich wischte mir die Feuchtigkeit von den Wangen, steckte mir die Haare hinter die Ohren und hob den Kopf.
Ryan schaute auf mich herab, die Mittelmeerblauen voller Besorgnis.
Oder Mitleid?
Oder was?
»Es tut mir Leid«, sagte ich. »Ich weiß nicht, woher das alles kam.«
»Jeder steht unter Druck.«
»Aber nicht jeder wird zu Il Duce.«
Ich spürte LaManche, bevor ich ihn tatsächlich sah. Eine Bewegung in den Augenwinkeln. Der Geruch von Pfeifentabak und billigem Aftershave.
Räuspern.
Ryan und ich drehten uns um. LaManche stand in der Tür.
»Ich dachte mir, dass Sie das vielleicht beide interessiert. Der Coroner hat Louise Parents Tod offiziell als Mord eingestuft.«
»Sie wurde erstickt?«, fragte ich.
»Ich glaube schon.«
»Haben Sie die Ergebnisse vom Toxikologen?«, fragte Ryan.
»Spuren des Schlafmittels Ambien wurden im Blut und im Urin festgestellt. Die Werte entsprachen der Einnahme von zehn Milligramm mehrere Stunden vor ihrem Tod.«
»Was ist mit der zeitlichen Abfolge?«, fragte Ryan.
»Konnten Sie herausfinden, ob Parent diese Suppe zum Mittag- oder zum Abendessen zu sich nahm?«
»Die Telefonaufzeichnungen deuten darauf hin, dass von Fishers Haus aus um fünfzehn Uhr fünfundfünfzig, um sechzehn Uhr vierzehn und um siebzehn Uhr neunzehn Anrufe getätigt wurden. Der erste ging an Parents Priester, der zweite an eine Apotheke zwei Blocks entfernt. Der dritte ging zu einer Telefonzelle. Daran arbeiten wir noch.«
Ich warf Ryan einen Blick zu. Kein Mensch hatte mir das gesagt.
»Also musste Parents letzte Mahlzeit das Abendessen gewesen sein.«
»Die Suppe hätte nach drei Stunden den Magen passiert, das Ambien nach zwei«, sagte LaManche. »Die Schlaftabletten waren sicher in dem Tee aufgelöst.«
»Nach Angaben der Nichte aß Parent normalerweise gegen sieben. Wenn man davon ausgeht, dass sie das am Freitag ebenfalls tat, sind wir bei etwa zweiundzwanzig Uhr«, rechnete Ryan nach. »Wenn wir davon ausgehen, dass sie das Ambien zum Zubettgehen nahm, sind wir bei dreiundzwanzig Uhr bis Mitternacht. Also muss der Tod in den frühen Morgenstunden eingetreten sein.«
»Das entspricht dem Verwesungszustand«, sagte LaManche.
»Mein Angebot steht noch«, sagte Ryan, nachdem LaManche wieder gegangen war.
»Wann hast du von den Anrufen erfahren?«, fragte ich.
»Heute. Das ist eins der Dinge, die ich dir erzählen wollte. Hurley’s?«
Ich schaute Ryan sehr
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