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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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Küchentisch zurückgelassen hatte. Und zwei gebrochene Herzen.
    Es tut mir leid, Mommy , dachte er. Ich hatte keine Ahnung. Es tut mir schrecklich leid .
    Ein sonderbares Geräusch durchkreuzte seine Gedanken. Es war ein dumpfer Schlag, gefolgt von etwas, was sich wie ein feuchtes Schürfen anhörte. Zuerst glaubte er zu phantasieren. Aber die Geräusche wiederholten sich ein ums andere Mal.
    Er riss die Augen auf und bemerkte, dass die Geräusche von draußen kamen. Er tappte ans Fenster. Es regnete immer noch in Strömen. Die tropfnasse Scheibe glich einem zersplitterten Spiegel. Trotzdem konnte er das benachbarte Haus von Glenn Stewart und einen Teil seines Gartens ausmachen.
    In dem Haus brannte kein Licht. Mr. Stewart aber schlief nicht. Er war draußen. Eric sah seine dunkle Silhouette vor der Baumreihe, die den Garten säumte. Ein kleiner Pappkarton lag neben ihm auf dem Rasen. Er hielt einen Spaten in der Hand. Als er ihn in den Boden stieß, kamen ebenjene Geräusche zustande, von denen Eric geweckt worden war.
    Immer tiefer drang der Spaten in den Boden ein. Es dauerte noch eine Weile, ehe Glenn ihn fallen ließ und den Karton vorsichtig in das ausgehobene Loch senkte. Er verbeugte sich wie im stillen Gebet. Eric zählte die Sekunden mit. Wohl fast eine halbe Minute verweilte Glenn in dieser andächtigen Pose.
    Dann richtete er sich urplötzlich auf, langte zum Spaten und schaufelte zu, was immer sich in dem Karton befinden mochte.

[zur Inhaltsübersicht]
    Donnerstag
    10
    Die heftigen Regenschauer waren in der Nacht zwar abgeklungen, aber am Morgen nieselte es noch. Kat sah sich genötigt, ihren Schirm aufzuspannen, als sie aus dem Crown Vic ausstieg. Es war der alte Golfschirm ihrer Mutter, ein sperriges Ding, das sich nur mit Mühe öffnen ließ. Als sie es schließlich doch schaffte, fiel ihr auf, dass eine der Streben gebrochen war und ein Drittel des Schirms schlaff herabhing wie Scoobys Ohren, wenn er müde war. Sei’s drum, dachte sie. Sie wollte ohnehin nicht lange auf dem Friedhof bleiben.
    Im Slalom um die großen Pfützen auf dem Parkplatz herum, ging sie auf den Eingang zu, in dessen schmiedeeisernem Rundbogen der hundert Jahre alte Namenszug Oak Knoll Cemetary angebracht war.
    Es war der einzige Friedhof weit und breit. Die meisten verstorbenen Bewohner Perry Hollows lagen hier begraben, und es gab ausreichend Platz, um einen Großteil der noch Lebenden aufzunehmen, wenn deren Zeit abgelaufen war. Kat kam zweimal im Jahr hierher, am Muttertag und am Vatertag. Ihr heutiger Besuch, drei Tage nach Labor Day, war außer der Reihe. Sie hätte gern darauf verzichtet, aber es führte kein Weg daran vorbei. Es gab da etwas, das ihr schwer im Magen lag.
    Mit zwei Blumensträußen im Arm suchte sie einen entlegenen Winkel unter sechs uralten Ahornbäumen auf, die so nah beieinanderstanden, dass ihre Zweige ein riesiges Laubdach bildeten. Es war dicht genug, dass sie auf den Regenschirm verzichten konnte.
    Kat legte den einen Blumenstrauß auf das Grab ihrer Mutter und drückte einen Kuss in ihre Hand, mit der sie dann dort über den Stein strich, wo der Name ihrer Mutter eingemeißelt war. «Ich liebe dich», flüsterte sie nach einem kurzen Moment des Schweigens und trat anschließend vor das benachbarte Grab.
    Dort wiederholte sie das Ritual aus Blumen und Handkuss. Aber anstatt zu flüstern, hob sie nun ihre Stimme und kam zuerst auf Lou van Sickle und ganz allgemein auf den Zustand der Polizei zu sprechen, dann auf James, der nach ihrem Vater benannt war.
    Am Morgen hatte sie sein Lunchpaket, wie von ihm verlangt, in eine braune Tüte gesteckt, was ihn aber auch nicht glücklicher machte. Er war ebenso mürrisch gewesen wie im Streit um die Box, ja, seine Stimmung hatte sich aus unerfindlichen Gründen noch verschlechtert.
    Vor der Schule von ihr abgesetzt, schlich er so langsam auf das Gebäude zu, als versuche er, seinen Eintritt so lange wie möglich hinauszuzögern. Kat dachte, es sei ihm vielleicht peinlich, von einem Streifenwagen gebracht zu werden, was alles andere als cool war. Wenn er mehr Freiraum brauchte, war Kat durchaus bereit, ihm diesen zu geben. Sie wollte nicht eine jener Moms sein, die ihre Kinder auf geradezu demütigende Weise verhätschelten. Als sie wieder losfuhr und einen Blick in den Rückspiegel warf, sah sie, wie James auf den Mülleimer vorm Eingang zusteuerte und die braune Tüte darin verschwinden ließ.
    Kat wunderte sich über sein Verhalten. Standen die gleichen

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