Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
Vom Netzwerk:
Irgendwelche Angehörigen von Noah Pierce oder Frankie Pulaski waren nicht zu finden gewesen. Nick hatte sich mehr erhofft, aber drei von fünf waren auch nicht schlecht.
    Fast ohne Übergang endeten die Weiden vor dem Stadtrand von Fairmount. Dort, wo im einen Moment noch eine Kuh neben ihrem Fladen stand, war im anderen der Parkplatz eines Dairy-Queen -Restaurants. Gleich darauf fuhr er über die Hauptstraße der Ortschaft mit dem üblichen Nebeneinander von Drugstores, Banken und Schönheitssalons.
    Vinnies Angaben zufolge lebte Sophie Kepner noch immer in dem Haus, in das ihr Sohn nach seinem Verschwinden nie mehr zurückgekehrt war. Dass sie dort nun schon über vierzig Jahre zugebracht hatte, mochte vielen unerklärlich erscheinen, doch Nick kannte sich in den ländlichen Gegenden Pennsylvanias gut genug aus, um zu wissen, dass eine solche bodenständige Beharrlichkeit nicht ungewöhnlich war. Die Einwohner waren tief verwurzelt. Wenn sie sich irgendwo niederließen, dann meist für sehr lange Zeit.
    Nick fand das Haus auf Anhieb. Wie Perry Hollow war Fairmount relativ klein und überschaubar. Sophie Kepner bewohnte die Nummer zweiundvierzig einer Reihenhaussiedlung aus rotem Backstein, mit Gardinen vor den Fenstern und Stiefmütterchen auf der Veranda.

    Auf der anderen Straßenseite lag der Park, in dem Dennis das letzte Mal gesehen worden war, eine kleine Anlage mit einem Ententümpel, einem Pavillon, der längst einmal wieder hätte gestrichen werden müssen, und einem Kiefernwäldchen mit Fahrradweg, auf dem gerade eine junge Frau einen Golden Retriever an der Leine führte. Dass diese kleine grüne Insel inmitten eines ansonsten grauen Wohnviertels gerade für Kinder besonders reizvoll war, lag auf der Hand. Nick konnte sich gut vorstellen, wie gern der kleine Dennis hier gespielt hatte.
    Nick stieg aus seinem Wagen und ließ, auf den Stock gestützt, seinen Blick durch den Park schweifen. Die junge Frau mit dem Hund war nicht mehr zu sehen – erstaunlich, weil das Gelände eigentlich gut überschaubar war. Aber zwischen Pavillon, Ententümpel und Kiefernhain fehlte auf einmal jede Spur von ihr. Schließlich tauchte sie zwischen den Bäumen wieder auf. Sie war dem Fahrradweg gefolgt, der durch das Wäldchen führte. Ob die Bäume schon 1969 dort gestanden hatten, wusste Nick nicht. Jedenfalls schien diese Stelle am ehesten geeignet, in diesem dicht bebauten Viertel mit seinen übersichtlichen Straßen und offenen Veranden jemanden unbemerkt zu entführen, insbesondere wenn dieser Jemand ein zehnjähriger Junge war.
    Die junge Frau mit dem Hund fühlte sich von Nick beobachtet und beschleunigte ihren Schritt. Sie steuerte auf die Reihenhäuser zu. Als sich Nick umdrehte, sah er einen älteren Mann aus einem der Fenster blicken. Vor dem Nachbarhaus stand eine junge Mutter mit einem Säugling auf der Veranda. Auch sie betrachtete ihn mit argwöhnischen Blicken. Anscheinend waren alle Anwohner dieser Straße recht wachsam, was ihn in der Annahme bestärkte, dass nur das Wäldchen der Ort der Entführung gewesen sein konnte.
    Nick überquerte die Straße und betrat die Eingangsstufen von Nummer zweiundvierzig. Auf dem Fenstersims neben der Tür hockte eine Katze, die ihren Schwanz hin und her zucken ließ. Als Nick auf die Klingel drückte, war ihr starrer Blick auf ihn gerichtet.
    Bald waren aus dem Haus Schritte zu hören, schwere, ungleichmäßige Schritte, begleitet von dumpfen Stößen, die Nick sofort einem Krückstock zuordnete. Er kannte dieses Geräusch inzwischen allzu gut.
    Die Tür wurde von einer Frau geöffnet, die in den Siebzigern zu sein schien. Sie war klein und korpulent, hatte dünne weiße Dauerwellen und ein vorsichtiges Lächeln. In der Linken hielt sie einen Stock aus schlichtem Holz, mit rutschfestem Laufgummi und einfachem Handgriff.
    «Mrs. Kepner?»
    «Ja.»
    «Sophie Kepner?»
    «Richtig.» Ihr Lächeln wirkte gequält. Es fiel ihr offenbar schwer, sich auf den Beinen zu halten. «Wie kann ich helfen?»
    Nick stellte sich vor, zeigte ihr seine Visitenkarte und bat sie darum, ihr ein paar Fragen zum Verschwinden ihres Sohnes stellen zu dürfen. Mrs. Kepner runzelte die Stirn. Sie schien verwirrt und nicht recht verstanden zu haben, was er von ihr wollte.
    «Wie war noch einmal Ihr Name?»
    «Nick Donnelly.»
    «Und weshalb sind Sie gekommen?»
    Nick zählte nicht zu den Menschen, die jeden jenseits der fünfundsechzig für plemplem hielten, doch Mrs. Kepners Reaktion ließ ihn

Weitere Kostenlose Bücher