Totennacht (German Edition)
enge Freunde, vor langer Zeit.»
«Und jetzt nicht mehr?»
«Doch, aber nicht mehr so eng wie früher.»
«Seid ihr miteinander gegangen?»
Eric schaute auf seine Uhr und glaubte, die Zeit wäre stehengeblieben. Ihm stand eine lange, ungemütliche Nacht bevor. Er schaute zum Fenster hinaus, spürte aber James’ neugierige Blicke im Rücken.
«Ja», antwortete Eric. «Wir waren damals noch in der Schule.»
«Habt ihr euch geküsst?»
«Lass uns von was anderem reden.» Eric starrte auf das Haus von Glenn Stewart. Hinter einem Fenster im Obergeschoss brannte Licht. Plötzlich stand James neben ihm und folgte seinem Blick.
«Wohin musste meine Mom?», fragte er.
Darauf zu antworten fiel Eric weniger schwer. «Sie will was ausgraben.»
«Ausgraben?» James rümpfte die Nase. «Was denn?»
«Hinweise.»
«Worauf?»
Eric lachte entnervt. Der Junge war definitiv Kats Sohn, genauso hartnäckig und neugierig wie seine Mutter.
«Auf meinen Bruder», antwortete er. «Er verschwand vor vielen Jahren. Deine Mutter hilft mir herauszufinden, was mit ihm geschehen ist.»
Für eine Weile blieb James stumm. Eric machte sich schon Hoffnungen darauf, dass das Frage-und-Antwort-Spiel nun vorbei sei. Als das Licht in Glenn Stewarts Haus verlosch, meinte James: «Da drüben geht wohl jemand ins Bett.»
Mr. Stewart war eine so mysteriöse Gestalt, dass Eric ihm durchaus zugetraut hätte, als Vampir erst jetzt aktiv zu werden. Doch der Junge schien natürlich recht zu haben. Nirgendwo flackerte ein anderes Licht auf.
«Warum guckst du ständig auf dieses Haus?», fragte James.
«Weil darin ein Mann wohnt, der vielleicht etwas über meinen Bruder weiß.»
«Zum Beispiel was?»
«Keine Ahnung.» Eric erinnerte sich an die vergangene Nacht, als er zufällig beobachtet hatte, wie der Nachbar bei strömendem Regen einen Schuhkarton vergraben und in einer Art stillem Gebet davor verharrt hatte. «Ich glaube, er hat was verbuddelt.»
«Und das will meine Mom jetzt ausgraben?»
«Nein. Sie ist woanders.»
«Und warum gehst du jetzt nicht rüber und gräbst aus, was der da verbuddelt hat?»
Eine berechtigte Frage, die wohl auch als Vorschlag zu verstehen war. Typisch, dass der Vorschlag von einem elfjährigen Jungen kam, passender noch, dass es sich um Kat Campbells Sohn handelte.
«Vielleicht mache ich das», sagte Eric.
«Kann ich helfen?»
«Warum nicht?»
Als sie in die Garage gingen, um eine Schaufel zu holen, musste Eric bei dem Gedanken, dass der Apfel wahrhaftig nicht weit vom Stamm fiel, unweigerlich schmunzeln. Während Kat und ihr Deputy auf dem Friedhof nach Hinweisen auf Charlie suchten, machten sich er und ihr Sohn daran, etwas Ähnliches zu tun. Hoffentlich wurden sie in beiden Fällen fündig.
18
Es dämmerte, als Kat den Friedhof erreichte und das schmiedeeiserne Tor passierte. Im verbliebenen Licht waren nur noch Umrisse zu erkennen, Einzelheiten nicht mehr. Die Dunkelheit hatte die Namen auf den Grabsteinen ausradiert und nur noch Reihen schwarzer Quader zurückgelassen. Kat schaltete ihre Taschenlampe ein und ging zielstrebig auf Maggie Olmsteads Grab zu.
«Da wären wir», sagte sie.
Hinter ihr standen Carl Bauersox und Earl Morgan, der Friedhofsverwalter. Beide hatten Schaufeln dabei, die sie nun vor sich auf dem Boden ablegten.
Earl war von einem ganz anderen Schlag als sein Vorgänger. Er trug verschmierte Jeans und eine grüne John-Deere-Kappe auf dem Kopf. «Wonach suchen Sie eigentlich?»
Darauf wusste Kat selbst keine Antwort. Im Grunde ging es ihr nur darum, nichts unversucht zu lassen und, wenn es sein musste, dabei jeden Stein umzudrehen. Damit, eine Entdeckung zu machen, die das Schicksal von Charlie Olmstead aufklärte, rechnete sie selbst nicht. Aber immerhin bestand die Aussicht auf einen kleinen Ermittlungserfolg, der sie auf die richtige Spur bringen könnte.
«Hoffnung», antwortete sie. «Wir suchen nach Hoffnung.»
Sie ging in die Knie und strich mit der Hand über das Gras, bis sie den Gedenkstein ertastet hatte. Dann legte sie die Taschenlampe ab und richtete den Strahl so, dass er das Grabfeld beleuchtete. Earl nahm vier Holzpflöcke aus seiner Schultertasche, schlug sie an den Ecken des Feldes in die Erde und spannte eine weiße Schnur zur Kennzeichnung der Grabstätte.
«So, das ist sicher groß genug, meinen Sie nicht auch?»
«Hängt davon ab, wie tief wir graben müssen», erwiderte Carl mit Blick auf den Grasfleck.
«Hoffentlich verschwenden wir hier keine
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