Totennacht (German Edition)
Zeit», meinte Kat.
Earl griff zur Schaufel und machte sich daran, die Grasnarbe abzutragen, indem er gleich große quadratische Stücke abstach, vorsichtig vom Untergrund löste und hinter sich aufstapelte.
Derweil breitete Kat eine Plastikplane neben der Grabstelle aus, die er ihr gegeben hatte. Darauf sollte der Aushub abgelegt werden, um ihn später schneller ins Loch zurückschütten zu können.
Schließlich nahm auch Carl seine Schaufel zur Hand, und gemeinsam – er von der einen, Earl von der anderen Seite – fingen sie an zu graben.
Eric stach mit dem Spaten zu und warf den Dreck, den er aushob, zur Seite, ohne sich darum zu kümmern, dass er Spuren hinterließ. Der Boden war ohnehin frisch umgegraben, und die Zeit drängte.
«Du passt gut auf, nicht wahr?», flüsterte er James zu, der ein paar Schritte abseits stand und das Haus im Auge hatte.
«Ja», antwortete der Junge. «Alles klar.»
«Gut. Sobald du ein Licht aufleuchten siehst, rennst du zurück in meine Wohnung, okay?»
Es behagte Eric nicht, James bei sich zu haben. Wenn Kat davon erführe, würde sie ihm die Hölle heißmachen. Darum hatte er den Jungen versprechen lassen, seiner Mutter nichts zu verraten. Aber es war gut, dass er Schmiere stand, und es schien ihm zu gefallen.
«Wie bei den Piraten», flüsterte James. «Macht Spaß.»
«Schön. Aber jetzt sei bitte still. Sonst wacht er womöglich noch auf.»
James nickte und fuhr mit Daumen und Zeigefinger über seine Lippen, als zöge er einen Reißverschluss zu. Dann schirmte er mit der Hand die Augen ab – eine Pose, mit der er Captain Jack Sparrow nachahmen wollte – und nahm das Haus ins Visier.
Um sicherzugehen, warf auch Eric immer wieder einen Blick über die Schulter zurück. Die Fenster blieben dunkel. Zu hören waren nur das Rauschen des Wasserfalls und die Geräusche, die der Spaten machte.
Dann war plötzlich ein anderes Geräusch zu hören, eines, das entstand, wenn Metall auf Pappe traf.
Auch James hörte es und wirbelte herum. «Was war das?»
«Das, wonach wir suchen», antwortete Eric.
Carl stieß als Erster darauf. Nach zehnminütiger Arbeit traf er mit dem Schaufelblatt auf einen harten, undurchdringlichen Gegenstand, so wuchtig, dass sich der Aufprall als Erschütterung über den Stiel bis in seine Arme bemerkbar machte.
«Da ist was», bemerkte Earl Morgan überflüssigerweise.
Carl ließ die Schaufel fallen und schüttelte die Arme aus. «Scheint so.»
Earl scharrte mit der Schaufel eine glatte Oberfläche frei. Auf den Knien und tief über das Loch gebeugt, half Kat mit den Händen nach und stellte fest, dass sie einen Kindersarg freigelegt hatten.
«Da liegt doch nicht wirklich jemand begraben, oder?», fragte Earl.
«Es würde mich überraschen», antwortete Kat.
Der Deckel des kleinen Sarges war noch halbwegs intakt, die untere Hälfte hingegen vermodert und in sich zusammengefallen. Kat sah sich an die Exhumierung der Opfer von Meister Tod im vergangenen Jahr erinnert, an all die geöffneten Särge und schaurigen Funde, die sie zu vergessen gehofft hatte.
Vorsichtig hob sie den Deckel an und warf einen Blick darunter. Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Der Sarg musste vollständig geöffnet werden. Kat holte tief Luft und riss den Deckel auf. Er knarrte so laut wie die Schuppentür, die zu Clarks Bunker führte, gab aber wie diese schließlich nach.
Zuerst sah Kat nichts als Dreck, der durch das eingefallene Gehäuse eingedrungen war. Wie eine weiße Insel tauchte darunter ein Kissen aus Satin auf. Auf dem Kissen lag eine Blechbüchse.
Sie war nach über vier Jahrzehnten erstaunlich gut erhalten und hatte nur ein paar Rostflecke. Als Kat die Büchse anhob, rasselte etwas darin.
«Willst du sie nicht aufmachen?», fragte Carl.
Kat war durchaus versucht, aber aus Respekt vor dem aller Wahrscheinlichkeit nach sehr persönlichen Inhalt, den Maggie Olmstead im Gedenken an ihr vermisstes Kind hier beerdigt hatte, hielt sie ihre Neugier im Zaum.
«Nein», sagte sie. «Das sollten wir Eric überlassen.»
Eric saß mit verschränkten Beinen, den Schuhkarton auf den Knien, im feuchten Gras. Der Spaten hatte den Deckel eingedrückt. Davon abgesehen, war der Karton heil geblieben. Gut. Er hätte sich Vorwürfe gemacht, wenn der Inhalt beschädigt worden wäre.
James stand hinter ihm und schaute ihm erwartungsvoll über die Schulter. «Na los, mach ihn auf.»
Eric hob den Deckel an und riskierte einen Blick. Der Junge reckte den Hals. Was
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