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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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wieder sein ekelhaftes Taschentuch hervorholen würde.
    Nachdem er geschluckt hatte, sagte Norm: «Jennifer, so hieß sie.»
    «Sind Sie sicher?»
    «Ziemlich.»
    «Ich muss es ganz genau wissen», sagte Kat.
    Norm beugte sich zur Seite und rief in Richtung seiner Freunde: «He, Jungs, wie hieß noch mal die Tochter der Clarks?»
    «Janice», antwortete einer, ein anderer: «Janine.»
    «Es war Jennifer», meinte Norm. «Definitiv.»
    «Und was ist mit ihr passiert?»
    «Na, was wohl? Sie ist gestorben», antwortete Norm.
    «Woran?»
    «Ist ertrunken, das arme Ding.»
    «Wann war das?»
    «Im Juli ’59, glaube ich. Unten in Florida. Vor den Keys. Es heißt, sie sei eines Morgens raus, um im Meer zu baden, und nicht mehr zurückgekehrt. Ein paar Tage später fand man sie am Strand, angespült wie ein Bootswrack. Armes Ding. War gerade erst neunzehn Jahre alt.»
    «Was hat sie in Florida gemacht?»
    «Hat da eine Zeitlang gewohnt», antwortete Norm. «Zusammen mit den Olmsteads.»
    «Mit Ken und Maggie Olmstead?»
    «Genau. Sie sind gemeinsam runtergefahren. Das war Anfang ’59. Die Olmsteads sind nach Jennifers Tod wieder zurückgekommen. Maggie hatte kurz vorher Charlie zur Welt gebracht. Sie war ziemlich fertig mit den Nerven.»
    «Waren die beiden so eng miteinander befreundet?»
    «Maggie und Jennifer? Die waren so», sagte Norm und legte zwei Finger übereinander. «Wie Schwestern.»
    «Ist das alles, was Sie über Jennifer wissen?»
    Norm nickte. «Viel weiß man eben nicht über Leute, die früh sterben. Ihre Geheimnisse sterben meist mit ihnen.»
    Oder spätestens mit denen, die ihnen nahestanden, dachte Kat. Die Clarks waren tot, aber es gab in der Sackgasse noch einen Nachbarn, der lebte, wenn auch sehr zurückgezogen.
    «Sie kennen doch bestimmt Glenn Stewart», sagte sie. «Was wissen Sie über ihn?»
    «Einiges», antwortete Norm. «Wir waren mal Freunde, in derselben Kirchengemeinde. Damals, vor dem Krieg natürlich. Danach hatte er zu niemandem mehr Kontakt.»
    «Wie erklären Sie sich das?»
    «Mit dem Kopfschuss, der ihn erwischt hat.»
    «Wann?»
    «Muss 1968 gewesen sein.» Norm wischte mit einem Toastdreieck die Eigelbpfütze vom Teller. «Jeder erzählt die Geschichte anders. Die einen sagen, er sei von den Vietcong überfallen worden, anderswo heißt es, er sei im Dschungel durchgedreht und habe sich die Kugel selbst verpasst. Das könnte ich mir gut vorstellen, und deshalb halte ich Letzteres für wahrscheinlicher.»
    «Wie hat er überlebt?»
    «Glück gehabt», sagte Norm. «Oder Pech, wie man’s nimmt. Jedenfalls sieht er jetzt ziemlich seltsam aus und lässt sich draußen nicht mehr blicken.»
    «Haben Sie ihn mal gesehen?», fragte Kat.
    Nach der Rückkehr aus Vietnam, antwortete Norm, habe er ihn nur ein einziges Mal gesehen, einmal mehr als die meisten anderen Bewohner von Perry Hollow.
    «Er war gerade wieder zurück», sagte er. «Ich bin zu ihm hin, und er hat mich auch reingelassen, aber nur kurz.»
    «Wie hat er reagiert?»
    «Seltsam. Aber ruhig.»
    Genau so hatte Glenn Stewart vor kurzem auch auf Kat gewirkt. In vier Jahrzehnten hatte sich anscheinend nicht viel geändert.
    «Worüber haben Sie miteinander gesprochen?»
    Norm zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus seinem Becher. «Über dies und das. Wer noch in der Stadt wohnt und wer nicht. Aber dann wurde er plötzlich ziemlich wunderlich.»
    «Inwiefern?»
    «Er sprach nur noch vom Mond.»
    In Kats Kopf zündete eine zweite Granate, die wieder einen Tsunami an Fragen auslöste. Es überraschte sie selbst, dass sie noch keine Kopfschmerzen hatte. Noch eine solche Informationsbombe, und ihr Schädel würde platzen, dessen war sie sich sicher.
    «Vom Mond? Und was genau hat er gesagt?»
    «Wie großartig der Mond sei und dass er, nicht die Sonne, Quelle allen Lebens auf der Erde sei. Wirres Zeug, aber so ernsthaft vorgetragen, dass er wirklich daran zu glauben schien.»
    «Woran genau?»
    «Das habe ich nicht verstanden. Wie gesagt, er redete nur wirres Zeug. Ich habe ihn gefragt, ob er wieder in die Kirche gehen wird. Er sagte nein und fing an zu erklären, wie er in Vietnam zu einem neuen Glauben gefunden habe.»
    «Einer Religion?», fragte Kat.
    «Ja. Er sagte, er sei während seiner Genesung von ein paar Vietnamesen bekehrt worden, und schien tatsächlich tief beeindruckt zu sein. Er sprach ständig von einer glorreichen –»
    Kat ahnte, nach welchem Wort er suchte. «Erleuchtung?»
    Norm schnippte mit den

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