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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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Folgejahren noch weniger. 1983 hatte er sich schließlich gezwungen gesehen, den Betrieb einzustellen.
    «Was anderes blieb mir nicht übrig», sagte Craig. «Ich habe versucht, das Gelände an einen anderen Betreiber zu verpachten, aber ohne Erfolg. Das Land ist verflucht, und ich habe wegen diesem Halsey alles verloren.»
    Nick hätte den Alten gern bemitleidet, was aber daran scheiterte, dass er ihn für unaufrichtig hielt. Außerdem schien er sich selbst mehr zu bedauern als den Jungen. Dieser Eindruck verstärkte sich, als Craig sagte: «Sie haben mir noch nicht erklärt, warum die Polizei sich nach so vielen Jahren plötzlich wieder für das Camp und Dwight Halsey interessiert.»
    «Zwischen 1969 und 1972 sind sechs Jungen gleichen Alters unter ähnlichen Umständen verschwunden», erwiderte Nick. «Und zwar jedes Mal dann, wenn ein Astronaut den Mond betrat. Dwight Halsey war einer dieser Jungen.»
    Craig wurde plötzlich so bleich, dass sich Nick nicht gewundert hätte, wenn auch sein Bart weiß geworden wäre. «Wollen Sie mir sagen, dieser Halsey ist nicht einfach nur durchgebrannt?»
    «Korrekt», antwortete Nick. «Er wurde aller Wahrscheinlichkeit nach entführt. Wie die anderen Jungen.»
    «Was ist mit ihnen geschehen?»
    Nick schloss für einen kurzen Moment die Augen und sah die unter der Mühle gefundenen Knochen auf dem Seziertisch der Gerichtsmedizin vor sich, das, was von Dennis Kepner oder Noah Pierce übrig geblieben war. Vermutlich lagen irgendwo auch die Knochen von Dwight Halsey.
    «Sie wurden getötet», antwortete er.
    «Aber das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollte jemand ausgerechnet diesen Halsey-Jungen entführen und töten?»
    «Das ist eine der vielen Fragen, die noch zu klären sind», erwiderte Nick. «Aber wieso fragen Sie?»
    «Er war ein kräftiger Junge und wusste sich zu wehren.»
    «Sie haben doch gesagt, er hätte sich bei einer Schlägerei ein blaues Auge geholt.»
    «Ja, aber Sie hätten mal den anderen Jungen sehen sollen», entgegnete Craig. «Für einen Entführer gab es in unserem Lager mit Sicherheit schwächere Opfer.»
    Nick glaubte, dass Dwight wie all die anderen Jungen einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und darum einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Vermutlich hatte der Junge in der Nacht irgendwann das Bett verlassen, vielleicht weil er pinkeln musste, und war dann auf dem Weg zur Latrine hinterrücks überfallen worden. Oder er hatte am Bootsanleger heimlich eine Zigarette geraucht und war dort überrascht worden. Manche Opfer hatten einfach Pech.
    «Wir können nicht ausschließen, dass der Junge den Übeltäter kannte», sagte er.
    «Sie meinen, es könnte einer meiner Mitarbeiter gewesen sein?», fragte Craig, immer noch bleich im Gesicht.
    «Durchaus möglich. Haben Sie noch eine Liste der Angestellten von 1971?»
    «Nein», antwortete Craig ein bisschen zu schnell für Nicks Geschmack.
    «Erinnern Sie sich an Probleme mit dem einen oder anderen Mitarbeiter? Gab es vielleicht einen Betreuer, der seinen Dienst nicht ernst nahm, oder irgendwelche anderen Beanstandungen?»
    Der Alte verzog das Gesicht. Es war wie ein aufziehendes Gewitter an einem Sonnentag. «Wollen Sie etwa andeuten, ich hätte irgendwas mit dem zu tun, was diesem Dwight und den anderen Jungen passiert ist?»
    «Natürlich nicht. Aber einer Ihrer ehemaligen Angestellten könnte etwas damit zu tun haben.»
    «Meine Mitarbeiter waren gute Leute, Mr. Donnelly. Für jeden einzelnen hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt. Die meisten von ihnen kannte ich aus meiner Zeit als Gefängniswärter, und dann gab es da noch ein paar Studenten. Keiner von denen war ein Killer, das können Sie mir glauben.»
    Nick hob beide Hände zu einer beschwichtigenden Geste. «Ich unterstelle Ihnen nichts.»
    Craig Brewster beruhigte sich. Das Gewitter zog wieder ab. «Na schön, ich glaube Ihnen», sagte er, wovon Nick allerdings wenig überzeugt war. «Sie müssen entschuldigen, die ganze Geschichte macht mir auch nach all der Zeit immer noch zu schaffen. Ich habe seit Dwights Verschwinden eine Menge durchmachen müssen. Es tut mir schrecklich leid, was geschehen ist, und es tut mir besonders leid, dass es hier geschehen ist.»
    Sie hatten wieder das Wiesenstück und die Feuerstelle erreicht. Als sie auf die Rezeption zugingen, fragte Nick, ob es damals leicht möglich gewesen war, als Unbefugter ins Camp einzudringen.
    Craig antwortete schulterzuckend: «Also, schwierig war’s nicht,

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