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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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geschwungener
Schrift:
    Reisebericht 11. Juni 1918
    Ich reise nun fast 2000 Meilen gen Osten als medical traveller oder scientist traveller. Wenn man zu einer
gewissen Schicht gehört, gibt man seiner Reise einen Grund und reist nicht wie
viele Bürgerliche aus purer Befriedigung der eigenen Neugierde auf die Fremde.
Obwohl ich zugeben muss, dass auch ich nicht ohne eine wissensdurstige Haltung
bin, was mich im Land der Pharaonen erwartet. Immerhin das älteste Reich, die
älteste Zivilisation, die wir kennen. Man sagt, dass die vormalige Hochkultur
Wilden gewichen ist. Morgen endlich soll das Schiff in Port Said anlegen,
    Es gibt Gerüchte, dass es auf dem afrikanischen Kontinent noch viele
unerschlossene Rohstoffe und auch Heilmittel gibt, die für unsere Apotheke von
größter Bedeutung sein könnten. Vor allem interessiert mich ein besonderes,
sehr altes Heilmittel.
    Auf dem Schiff habe ich bereits einige Kontakte geschlossen, darunter Sir Archibald
Ascot, der mich auf eine, wie er betonte, außergewöhnliche Party in Kairo
eingeladen hat.
    12. Juni 1918
    Endlich bin ich in Port Said angekommen. Man sagte mir, dass ich nur der Straße am
Wasser folgen muss, bis ich zum Grand Hotel Intercontinental komme. Das
Hauptfortbewegungsmittel scheint hier der Esel zu sein. Weit und breit sehe ich
weder Autos noch Kutschen, also gehe ich zu Fuß die breite, sandige Straße
entlang. Es dauert nicht lange, und schon habe ich um mich herum eine Schar
barfüßiger Wilder, die in einer unverständlichen Sprache auf mich einreden. Der
einzige Gedanke gilt meinem Koffer, den ich so festhalte, dass sich meine
Fingerkuppen in meine Handinnenflächen bohren. Den Blick starr nach vorne
gerichtet, hoffe ich inständig, bald im Hotel zu sein.
    Die
Einheimischen sind sehr dunkelhäutig und sitzen auf den sandigen Straßen auf
dem Boden herum, als wären sie bei sich zu Hause.
    Ein
Karren mit sechs Frauen und schmutzigen Kindern fährt an mir vorbei. Unter
ihren Tüchern beobachten mich ihre schwarzen, unheimlichen Augen, die ich noch
in meinem Rücken spüren kann.
    Direkt
an einer Mole liegt das Grand Hotel Intercontinental. Unter dem Hotel prangt
das Schild eines englischen Schiffsmaklers, James Bellmont, dahinter folgt noch
eine Vielzahl von europäischen Firmen, die hier ihre Zweigstellen haben. Dabei
sind die Agenten der Messageries Maritimes hier groß vertreten. Sie verkaufen
nicht nur Schiffsbilletts, sondern auch sämtliche Konsumartikel, die von
Patentfarben für Schiffsböden zu Champagner und Ausrüstungen für Expeditionen
und Karawanen reichen. Zu meiner Schande muss ich feststellen, dass ich nicht
einmal die notwendigsten Arzneimittel als zukünftiger Inhaber einer Apotheke
mitgenommen habe. Es muss an der Aufregung gelegen haben, die eine solch lange
Reise in das Morgenland zwangsläufig mit sich bringt.
    Gottlob
muss ich nicht lange suchen, bis ich eine Apotheke gefunden habe, die mich mit
einer Expeditionsapotheke für die weitere Reise ausstatten soll. Sie wirbt mit
einer großen Anzeige vor dem Eingang, auf der steht: »Lager von Arzneimitteln
jeder Art in den gebräuchlichsten und erwünschten Formen. Drogen, Chemikalien
und Verbandstoffe in großer Auswahl.«
    Man
darf bei alledem nicht vergessen, dass die Kolonialisierung nicht nur eine
Zivilisierung der wilden Einheimischen, sondern auch die Trauer über die
Gefallenen und viele Krankheiten mit sich gebracht hat. Darunter die Pest,
Gelbfieber, Malaria, Cholera, Febris Aleppensis, auch Saharageschwür genannt,
um nur ein paar davon aufzuzählen. Ich hoffe, ich bleibe von alledem verschont.
Ich kenne ein paar Leute, die mit außergewöhnlichen Krankheiten in die Heimat
zurückkehrten.
    Allerdings
kann von einer erfolgreichen Zivilisierung der Einheimischen keine Rede sein,
denn ich werde immer noch von zwei dieser charakterlosen, impertinenten Wilden
verfolgt. Einer will mir irgendein Schmuckstück andrehen, das angeblich aus
einem Königsgrab stammt. Bevor ich ihm schließlich etwas abkaufe, spreche ich
ihn noch auf Mumia vera Aegyptica an, doch er schüttelt den Kopf und spricht unverständliche
Worte. Ich stehe erst am Anfang meiner Reise, und ich denke, in Kairo werde ich
eher finden, was ich suche.
    Aethel hatte während des Lesens alles um sich herum vergessen,
sogar die störenden Bewegungen neben sich nicht mehr wahrgenommen. Sie hatte
auch

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