Totenpech
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und die Hilfe. Dabei entging ihm nicht, wie Hansen sich sichtlich entspannte.
Beim Hinausgehen drehte er sich um und sah Ronald Walter direkt in
die Augen. Er hatte ein seltsames Gefühl, als er den Keller des Museums
verlieÃ. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber vielleicht war er auch nur zu
sensibel und interpretierte etwas in Dinge, Blicke und ÃuÃerungen hinein, das
gar nicht da war. Er gab der schlaflosen Nacht die Schuld, in der sich seine
Gedanken wie ein Strudel nur um Lina gedreht hatten. Jedes Mal, wenn Lina
zurück nach Hamburg fuhr, hinterlieà sie eine bedrückende Leere in seinem
Herzen, die er damit bekämpfte, dass er sich in Arbeit stürzte. Er war dann wie
ein Autist in seiner Welt, in der es auch keine Lina mehr gab. Er hatte sie
gebeten, nach München zu ziehen, damit das Hin und Her aufhörte, aber sie
wollte nicht. Darum zweifelte er manchmal an ihrer Liebe. Wie sollte er jemals
mit ihr eine richtige Beziehung führen? Er fragte sich allerdings, ob er
überhaupt in der Lage war, sich so fest zu binden? Er selbst hatte darauf keine
Antwort. Er nahm sich vor, später bei ihr anzurufen und erst einmal den
schiefen Haussegen zu begradigen.
22. KAPITEL
Lina hatte sich zwei Tage freigenommen und saà gerade im
Flieger von Lissabon nach München. Ihre Freundin Paola hatte sie gebeten, eine
Hausreinigung vorzunehmen, weil sie jede Nacht Schritte hörte, obwohl ihr Mann
und sie allein im Haus waren. Geister machten sich auf verschiedenste Art und
Weise bemerkbar. Klopfen, Schritte, Gerüche verbreiten, Lichter an und aus
machen waren nur die harmlosesten Varianten. Es gab aber auch die, die den
Menschen das Leben schwermachten, indem sie Geschäfte verhinderten, Streit,
Trennungen, Krankheiten, sogar den Tod verursachten. Lina kannte ein Haus in
Hamburg, in dem sich die Besitzer seit Jahren die Klinke in die Hand gaben.
Glückliche Familien zogen ein, zerrüttet und geschieden zogen sie spätestens
nach einem Jahr wieder aus. Lina hatte letztes Jahr den Geist, einen älteren
Mann, der keine Männer in seinem Haus duldete, wie er sich ausdrückte, nicht
vertreiben können. Das Paar trennte sich wie alle anderen nach acht Monaten,
und es war wieder eine neue Familie in das Haus eingezogen.
Nun hatte sie hoffentlich die Ehe ihrer Freundin gerettet, denn die
eifersüchtige Nachbarin hatte dem Paar einen Tortenschneider zur Hochzeit
geschenkt, um die Liebe zu »zerteilen«. Sie hatte ihre Tochter anstelle von
Paola mit dem Mann verkuppeln wollen. Die Schritte im Haus waren vom GroÃvater
gekommen, der seine Enkelin warnen wollte.
Lina betrachtete die Wolken, die aussahen wie groÃe weiÃe,
kuschelige Federdecken und dazu einluden, sich einfach hineinfallen zu lassen.
Warum nur hatte sie während der Sitzung wieder diesen Raum mit den oben
abgerundeten Fenstern gezeichnet? Dieses Mal hatte der Stift in ihrer Hand noch
ein Bett in die Mitte und unleserliche Zeichen an die Seite des Blattes
gekritzelt. Es schien eine Botschaft für sie zu sein, aber sie konnte sie nicht
verstehen.
Sie schloss die Augen und dachte an Sam.
Sam mit seinem dunkelbraunen, leicht gewellten Haar, das er immer
ein bisschen länger trug, seinen braunen, warmen Augen, seinem markanten Kinn
mit dem kleinen Grübchen, das sie so anziehend fand, besonders wenn er nicht
rasiert war und der Punkt immer dunkler wurde. Sein Hals, den sie so männlich
fand und der einfach schön war, besonders wenn er sprach und die Adern an der
Seite hervortraten, seine Haut, die immer leicht gebräunt war, und â sein gut
durchtrainierter Körper. Das war die äuÃere Schale von Sam. Von seiner
Vergangenheit wusste sie lediglich, dass er in New York groà geworden, seinen
Vater bewundert und geliebt hatte, bis er mit seiner Mutter und Schwester nach
Deutschland gekommen war. Mit seiner Mutter hatte er keinen Kontakt mehr, und
seine Schwester Lily hatte sich vor etwas mehr als einem Jahr umgebracht. Sam
sprach kaum über sie und hatte den Schmerz über den Verlust in sich vergraben.
Lina hatte den Eindruck, dass er sich nicht erlaubte, richtig zu trauern. Aber
sie war sich sicher, dass er, wie auch immer, eines Tages diesen Schmerz
rauslassen musste.
Lina lächelte vor sich hin. Was würde er wohl für ein Gesicht
machen, wenn sie plötzlich vor ihm stand? Dann fiel ihr siedend heià ein, dass
er vielleicht auf den gleichen Gedanken
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