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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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zu. Den Namen kann ich nicht verstehen.
    Plötzlich
geht eine Tür auf, und Neger, in weiße Lendenschürze gekleidet, tragen eine mit
bunten Seidenstoffen geschmückte Bahre herein, auf der eine große goldene Kiste
steht. Dahinter folgen schwarze Träger mit einem Sarkophag. Sollten meine
Erwartungen so schnell erfüllt werden? Die Kette reißt nicht ab, weitere
dunkelhäutige Menschen folgen und bringen Gegenstände herein, die sie auf den
Tisch stellen. Durch die Menge hinter mir geht ein aufgeregtes Raunen.
    Dann
wird der Sarkophag geöffnet. Die Männer heben eine in schmutziges Leinen
gewickelte Mumie heraus und legen sie auf den Tisch. Sie ist nicht sehr groß,
höchstens ein Meter fünfzig.
    Ich
werde Zeuge, wie man die dicke Schicht Leinenwickel durchschneidet und einen
glänzend schwarzen, geschrumpften Körper daraus hervorholt.
    Vor
ungefähr fünfzig Jahren war das ein üblicher Partyclou um Mitternacht, wenn die
gehobenen Schichten auf dem Nil reisten. Aber anscheinend hat diese Art von
Späßen nie aufgehört, man redet nur nicht mehr darüber, denn es ist irgendwie
pietätlos, was mich allerdings nicht von meinem Vorhaben abbringen wird.
    Alle
Schätze werden versteigert. Sigmund Altmann ersteigert die Mumie für 20 000 Englische
Pfund – ich habe erst gar nicht mitgeboten, weil ich etwas anderes vorhabe –,
und Joseph Hoppe, ein reicher Holländer, scheint ein leidenschaftlicher Sammler
von Schmuckstücken zu sein, die allesamt in der goldenen Kiste liegen. Eines
gefällt mir besonders gut. Es ist eine goldene Kette mit Türkisen und Löwenköpfen.
Außerdem ersteigert er noch eine kleine Kindermumie in einem hölzernen
Sarkophag. Die goldene Truhe geht an eine Engländerin, Victoria Drake. Gut zu
wissen.
    Der Klang einer eingehenden E-Mail ließ Aethel aufblicken.
Wie erwartet, kam sie von ihrem Auftraggeber. Der Kunde wartete immer noch auf
die Büste. Aethel schrieb schnell, dass äußere Umstände sie zu einem Umweg
gezwungen hätten, und vereinbarte einen neuen Ablieferungstermin, der eine
Minute später auch prompt bestätigt wurde. Dann las sie im Tagebuch weiter.
    Â 
    Endlich
sitze ich in meinem Hotelzimmer. Neben mir die Mumie in Einzelstücken. Für den
Transport musste ich sie leider zerlegen, sonst wäre es aufgefallen.
    Bevor
man den Diebstahl entdeckt, wird außer dem wertvollen Pulver nichts mehr von
ihr übrig sein. Mumia vera Aegyptica, auch Totenpech genannt.
    Das
Schicksal war mir hold, hätte nicht gedacht, dass meine Reise so schnell
Früchte tragen würde.
    19. Juni 1918
    Die
Pyramiden am fernen Horizont erscheinen wie drei kleine spitze Hüte in der
Ferne. Je näher ich komme, desto größer werden die Hüte. Aber dann ist der
Augenblick gekommen. Ich stehe vor diesen gewaltigen Monumenten, die sich wie
gemalt von dem azurblauen Himmel absetzen. Davor die Sphinx mit ihrem
zerstörten Antlitz, halb vergraben zwischen dem feinen Wüstensand. Ich frage
mich, was ist oder war ihre Funktion? Sie steht hier so allein, dass ich mir
vorstellen kann, dass sie eine andere Bedeutung hat, als nur als Riesenskulptur
vor den Pyramiden zu stehen.
    Die
rauen Steine sind jetzt genau zu erkennen. Sie sind so groß, dass ich davon
überzeugt bin, dass Menschenkraft hier nicht ausgereicht hat, um Stein auf
Stein zu setzen. Unmöglich.
    Die
pittoreske Landschaft tut ihr Übriges. Ich fühle mich in eine ferne Zeit
versetzt. Das Kamel, auf dem ich sitze, röhrt Furcht einflößend und lässt sich
nieder, sodass ich beinahe kopfüber in den Sand falle. Diese Tiere sind mir
nicht ganz geheuer. Ich werde das nächste Mal lieber auf ein Pferd steigen.
    Der
Aufstieg ist sehr mühsam. An der einen Außenseite der großen Gisehpyramide
stehen beinahe bis zur Spitze nach oben Einheimische mit Turbanen und langen
Gewändern und sind den Touristen bei der Besteigung des Weltwunders behilflich.
Einer reicht mir seine raue, dunkle Hand, er lächelt mir zu, und ich sehe seine
braunen Stummel im Mund. Putzen die Leute sich hier nicht die Zähne? Er zieht
mich halb nach oben, den Rest mache ich mit eigener Körperkraft. So erklimme ich
Quader für Quader. Wie viele Hände ich angefasst habe, weiß ich nicht. Ich
achte darauf, mit meinen Händen nicht in mein Gesicht zu fassen. Wer weiß, was
für Keime sich daran

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