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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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eine Minute,
bevor sie ihr Werkzeug aus dem Rucksack holte. Dann erklomm sie die Fassade.
Der Klinkerbau erleichterte den Aufstieg ungemein. Es dauerte keine fünf
Minuten, bis Aethel vor einem kleinen Dachfenster hockte, das man von unten
nicht einmal sehen konnte und deshalb von den Besitzern wahrscheinlich als ungefährlich
eingestuft worden war. Pech gehabt, dachte Aethel und grinste unter ihrer
schwarzen Sturmhaube.
    Sie schnitt ein Loch vor dem Griff, öffnete das Fenster und ließ
sich geräuschlos hindurchgleiten.
    Im oberen Stock waren die drei Schlafräume mit einem cremefarbenen
Teppich ausgelegt, während im Flur und im Rest des Hauses mediterrane Fliesen
und Teppichläufer vorherrschten. Sogar im weiß gefliesten Badezimmer lag ein
großer Perserteppich statt der üblichen Badematten.
    Das Mobiliar bestand aus einer bunten Mischung von antiken
Eichenschränken, modernen Sitzmöbeln und diversen Mitbringseln aus exotischen
Ländern. Masken, die an Wänden hingen, Figuren, die in Ecken standen. Die
eingelassenen Halogenstrahler an den Rändern der tiefer gelegten Decken waren
alle auf bestimmte Punkte im Raum ausgerichtet. Hauptsächlich auf Bilder, Pflanzen
und Skulpturen.
    Aethel fragte sich, was in so einem Haus eine dreitausend Jahre alte
Büste zu suchen hatte, die sie immer noch nicht entdecken konnte. Sie wollte
gerade zur Kellertür gehen, als sie sie endlich im Flur erblickte.
    Dort stand sie in der Ecke auf einem Marmorsockel, ungeschützt, und
blickte kühl aus ihren mandelförmigen Augen direkt zu Aethel. Ehrfürchtig trat
sie an die bunte Königin heran und betrachtete sie eingehend.
    Das schmale Gesicht mit den feinen Zügen und dem langen, schlanken
Hals der fünfzig Zentimeter hohen Büste, die man 1912 bei Ausgrabungen
gefunden hatte, wies starke Versinterungen an der Oberfläche auf. Von der
königlichen Krone war ein großes Stück abgebrochen, und die Farben der Krone
und der Haut waren stark verblasst.
    Wie viele Geschichten hatte es gegeben, bis die Büste den Weg in
dieses Haus gefunden hatte, wo sie erstens nicht hingehörte und zweitens auch
gar nicht hineinpasste?
    Die Deutschen bestanden bis heute darauf, dass sie das Original in
den Händen hielten, obwohl sie wussten, dass Hitler eine Kopie hatte anfertigen
lassen, die angeblich nicht vom Original zu unterscheiden war.
    Anscheinend war der Kopiermeister in seiner Arbeit unterbrochen
worden, denn sonst hätte er um der Echtheit willen seinem Werk mehr Abnutzungen
hinzugefügt. Aethel kannte die Kopie, die in Berlin im Neuen Museum stand,
ziemlich gut. Sie wies kaum Beschädigungen auf, und die Farben waren so
leuchtend, als hätte man sie gerade erst draufgepinselt. Ein Grund, warum viele
Experten die Echtheit anzweifelten.
    Sie kostete noch einen Moment des Alleinseins mit dem unbezahlbaren
Stück aus und verstaute es dann sorgfältig in ihrem Rucksack, als sie plötzlich
ein Geräusch aus dem oberen Teil des Hauses hörte. Aethel blieb reglos stehen.
War ihrem Auftraggeber erneut ein Fehler unterlaufen? Würde der Besitzer wie in
der Münchner Villa gleich wieder vor ihr stehen? Sie sah sich um und überlegte
fieberhaft, was sie dieses Mal zur Selbstverteidigung benutzen könnte. Sie war
keine Freundin von Waffen und trug somit auch nie eine bei sich. Das Chepesch
war sehr willkommen gewesen. Lautlos, aber leider tödlich. Sie konnte nicht
ahnen, dass die Klinge so scharf war. Mit angehaltenem Atem lauschte sie
weiter. Alles war still. Vielleicht war nur eine Schindel vom Dach gerutscht.
Sie verharrte noch zwei Minuten bewegungslos. Dann verließ sie das Haus auf
demselben Weg, wie sie hereingekommen war, und hinterließ, bis auf ein Loch im
Fenster und ein paar Kratzer an der Fassade, keine Spuren ihres Besuchs.

25. KAPITEL
    München   Sam
wachte mitten in der Nacht auf. Meistens waren es Träume, die ihn irgendwann
auftauchen ließen, wie eine Luftblase, die sich aus den Tiefen eines Sees langsam an die Oberfläche kämpft. Blubb, Sam war hellwach. Seine Uhr stand auf
ein Uhr morgens. War es nicht auch ein Uhr gewesen, als er das Licht in der
Villa gesehen hatte? Er ließ in seiner Erinnerung noch einmal alles ablaufen.
Als er an die Stelle kam, wo sein Gegner ihm einen Schlag auf sein Ohr verpasst
und er anschließend nach beiden Armen gegriffen hatte, hielt er den Film an.
Die Arme. Was war mit den Armen

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