Totenplatz
sein Maul, als wollte er dem Menschen eine Antwort geben. Es drang auch so etwas hervor, und es klang wie ein selbstherrliches Lachen.
Garry ging davon, die Dohle blieb auf ihrem Platz hocken.
Der Förster kam sich dabei vor wie ein Verlierer, und er erstickte beinahe an seiner eigenen Wut.
Am Getränkewagen hatte er sich wieder beruhigt. Er blieb davor stehen und schaute für eine Weile zu, wie die junge Frau kunstvoll die schmalen Champagnergläser aufbaute. Sie ließ sich bei ihrer Arbeit nicht stören und schaute erst auf, als sie fertig war.
»Alles klar?« fragte Garry.
»Bei mir immer.«
Auch sie trug eine Mütze. Er schaute hin und las ihren Namen. Sie hieß Kelly, war ungefähr zwanzig, hatte ein trotz ihrer dunklen Haare blasses Gesicht und nur wenig Figur. Den Pony hatte sie sich hennarot einfärben lassen. Im Gegensatz zu Big trug sie keine weiße, sondern eine rote Jacke mit einem etwas tieferen Ausschnitt, in dem doch kaum etwas zu sehen war, das erkannte der Förster, als sich Kelly vorbeugte.
»Ist alles in Ordnung?« fragte sie.
»Ja, warum nicht?«
»Sie schauen so komisch.«
»Das täuscht. Ich bin nur in Gedanken.«
Sie lächelte und stemmte ihre Handflächen rechts und links der Gläser auf die Theke. »An was denken Sie denn?«
»Ich frage mich, ob alles klappt?«
»Immer!« lautete die knappe Antwort.
Der Förster hob die Schultern, was Kelly erstaunte. »Oder sind die Gäste so komische, blasierte Typen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.« Garry berichtete, wer erwartet wurde.
Namentlich kannte er nur wenige. Einige Gesichter waren hin und wieder in den Gazetten abgebildete oder auf den Bildschirmen zu sehen, aber davon ließ sich Kelly keinesfalls beeindrucken. Sie hob nur die Schultern und putzte Wasserflecken von der Theke. Das gefiel McBain auch nicht.
Er wußte selbst nicht genau, was er herausfinden wollte. Vielleicht eine Bestätigung seiner Vorahnungen. Er stellte deshalb eine möglichst unverfängliche Frage. »Bemerkt haben Sie nichts, Kelly?«
Sie legte den Lappen zur Seite. »Was soll ich denn bemerkt haben, Mr. McBain?«
»Eine gute Frage«, murmelte er und überlegte, wie er ihr die Atmosphäre oder sein Feeling näherbringen konnte. »Wissen Sie, Sie waren ja schon öfter hier.«
»Nein, heute ist es das zweite Mal.«
»Gut. Können Sie sich an das letzte Jahr erinnern?«
»Sicher.«
»Haben Sie auch einen Unterschied zu dem heutigen Besuch festgestellt? Liegen die Dinge anders? Spüren Sie etwas? Kann es sein, daß Sie ein anderes Gefühl haben, während Sie hier stehen? Ich meine, im Vergleich zum letzten Jahr.«
Kelly lächelte ihn an. »Komisch, Sie können vielleicht Fragen stellen, Mr. McBain. Macht Ihnen das Spaß?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann haben Sie also einen Grund.« Sie beugte sich vor und lachte.
Dabei blitzten ihre Augen. »Jetzt haben Sie mich aber neugierig gemacht. Reden Sie und…«
Jemand in ihrer Nähe räusperte sich. Kelly verstummte, und der Förster drehte sich um.
Big war aufgetaucht. Er hatte sich hinter dem Getränkewagen aufgehalten und dort noch einiges überprüft. McBain brauchte ihn nur anzusehen, um zu wissen, daß etwas nicht in Ordnung war. Bigs Gesicht zeigte eine leichte Verwunderung.
»Na, was ist?«
»Haben Sie das Ding da hinten hingestellt, Mr. McBain?« Big deutete über seine Schulter.
»Welches Ding?«
»Kommen Sie mit.«
»Das muß ich mir auch anschauen.« Kelly bewegte sich schnell hinter ihrer Theke hervor. Sie erreichte die beiden Männer, als Big bereits dabei war, über einen schmalen Trampelpfad in die Dichte des Unterholzes zu gehen. Nach dem dritten Schritt schon blieb er stehen.
»Da, schauen Sie sich das Ding mal an.«
Garry McBain wußte sofort, was damit gemeint war. Er schluckte, denn dieser mächtige Klotz paßte einfach nicht an diesen Ort. Er sah aus wie ein Baumstumpf, aber das war er beileibe nicht. Es gab dafür einen bestimmten Namen.
»Na, was sagen Sie?«
Ohne den Kopf zu drehen, gab der Förster die Antwort. Und sie klang bestimmt nicht fröhlich. »Ein Richtklotz«, flüsterte er. »Das ist ein verfluchter Richtklotz, auf dem Menschen früher die Köpfe abgeschlagen wurden…«
***
Suko kam aus der Küche und brachte die bestellten Getränke. Helen McBain hatte nicht gehen wollen. Sie saß mit mir zusammen auf der Terrasse und schaute ins Leere. Ihr Mann und die bei den Mitarbeiter vom Party-Service waren verschwunden. Auch der Förster würde so bald nicht
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