Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
dem Namen »Wolsdorff-Zigarren«, das ihr Schwiegervater bislang noch bei jedem seiner Hamburgbesuche angesteuert hatte. Anna war nach wie vor wütend auf Tom und fragte sich, warum sie ihm trotz des vor ihr liegenden anstrengenden Arbeitstages nur immer wieder aus der Patsche half.
Zum Glück wurde sie in dem Pfeifenladen schnell fündig und hatte daher noch ein wenig Zeit, bevor sie sich zur Kita nach Ottensen aufmachen musste.
Erst jetzt bemerkte sie, dass die große Tafel vor dem Eingang des Pavillons am Mönckebergbrunnen verschwunden war. Jahrelang hatte die den Pavillon schon
von weitem als Filiale einer amerikanischen Fast-Food-Kette ausgewiesen, und Anna hatte sich noch bei ihrem letzten Besuch vor Ort in eine Unterschriftenliste eingetragen, mit der die Stadt dazu bewegt werden sollte, den Pachtvertrag mit der Fast-Food-Kette aufzukündigen. Stattdessen sollte in dem schönen alten Gebäude wie früher eine Bibliothek eingerichtet werden. Anscheinend hatten die Proteste der Bürger Erfolg gehabt, auch wenn der Pavillon noch immer keine Bibliothek, sondern das »Elbphilharmonie Kulturcafé« und einen Coffeeshop beheimatete. Doch immerhin präsentierte sich Hamburg seinen Besuchern damit endlich wieder mehr als die kulturelle Weltstadt, die es auch war. Anna betrat den Pavillon, nahm sich eine der Veranstaltungsbroschüren vom Tresen des Kulturcafés und kaufte sich schnell noch einen großen Milchkaffee zum Mitnehmen, bevor sie zu ihrem Wagen zurückging.
Als die Kommissarin kurz darauf in der Zeißstraße eintraf, waren die meisten ihrer Kollegen bereits vor Ort.
»Anna, kommen Sie mit, Sie müssen sich unbedingt die vielen kleinen Stühle angucken«, meinte Sabrina Messi, eine normalerweise beinharte Kommissarin des LKA aus der Abteilung für Drogendelikte. Und auch wenn Anna kaum etwas über Sabrina Messi wusste, ging sie nach dieser Bemerkung davon aus, dass ihre Kollegin keine Kinder hatte. »Und die Fächer mit Krimskrams, Hausschuhen und Gummistiefeln! Ich komme mir hier fast so vor wie im Haus der sieben Zwerge.«
»Ja, da haben Sie Recht«, gab Anna schmunzelnd zurück. »Kinder sind schon was Wunderbares.«
Inzwischen hatte sich Weber zu ihnen gesellt und geleitete Anna vom Eingangsbereich in den Gemeinschaftsraum, in dem morgen die Infoveranstaltung stattfinden würde. Dort machte er sie mit Dagmar Loges, der Kitaleiterin, bekannt, die Anna bereits auf den ersten Blick sympathisch war.
»Ich habe schon ein bisschen Angst, wenn ich an morgen denke«, strich sich Dagmar Loges eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. »Hoffentlich fange ich nicht zu stottern an, wenn ich meinen Vortrag halte. Außerdem trage ich auch noch die Verantwortung für drei meiner Mitarbeiterinnen, die sich bereit erklärt haben, ebenfalls an der Veranstaltung teilzunehmen.«
»Das kann ich gut verstehen, Frau Loges, aber wir werden gut auf Sie und Ihre Leute aufpassen. Auf jeden Fall möchte ich Ihnen für Ihre spontane Zusage danken. Ihr Engagement ist alles andere als selbstverständlich.«
»Ach was, wenn es Ihnen recht ist, zeige ich Ihnen jetzt unsere Räumlichkeiten und erzähle Ihnen ein bisschen etwas über die Kita, damit Sie morgen so auftreten können, als wären Sie eine von uns.«
Nacheinander besichtigten sie alle elf Räume, von denen neben den normalen Gruppenräumen zwei Zimmer sogenannte Ateliers waren, dazu kam ein Bewegungsraum, ein Schlafraum, diverse kleine Nebenräume sowie der schon gesehene Gemeinschaftsraum, der der größte von allen war.
»Was meinen Sie, werden Sie die Aktion morgen erfolgreich über die Bühne bringen?«, fragte Dagmar Loges, nachdem sie Anna anschließend noch die Küche, den Vorrats- und den Waschraum sowie zuletzt den circa zweihundert
Quadratmeter großen Außenspielplatz gezeigt hatte. »Ich habe mich bei meinem Träger ziemlich weit für diese Sache aus dem Fenster gelehnt und hoffe jetzt nur, dass alles gut ausgeht.«
Anna registrierte den stabil wirkenden hohen Zaun, der die Außenanlage umgab, und zündete sich eine Zigarette an. Wenn der Täter das Grundstück erst einmal betreten hatte, würde es schwer für ihn werden, ungehindert wieder von hier zu verschwinden.
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen jetzt sagen, dass unsere Aktion gut verlaufen wird, aber wir wissen nicht einmal, ob der Mann morgen überhaupt kommen wird. Doch wenn er kommt, werden wir in jedem Fall versuchen, ihm ein Bein zu stellen.«
Als Anna ausgeraucht hatte, wickelte sie
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