Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
ich mir einen anständigen Mann, einen, der ein bisschen mehr Mumm in den Knochen hat. Schluss mit den Spatzen, ich will endlich einen Adler.«
Doris prustete los. »Einen Mann wie ein Adler«, rief sie laut. »Und Mumm-Sekt soll er trinken? Also so was Ähnliches wie ein Coq au vin?«
»Sei ruhig, muss das denn gleich der ganze Laden mitkriegen?«
»’tschuldigung, aber du hättest dein Gesicht sehen sollen, als du eben von diesem Supermann angefangen hast. Bisschen peinlich, wenn du mich fragst. Deine Idee, dich von Max zu trennen, scheint mir dagegen ziemlich vernünftig zu sein.«
»Meinst du, ›Gute Männer für Sie‹ ist die richtige Adresse dafür?«
»Wofür?«
»Na, um einen klasse Mann zu finden, mein’ ich. Das ist doch diese neue Kontaktbörse im Internet.«
»Ist das so was wie ›Traumpartner‹?«
»Genau. Ich habe neulich einen Bericht über die im Fernsehen gesehen. Scheinen ganz seriös zu sein.«
»Hast du dich da etwa schon angemeldet? Unter deinem richtigen Namen?«
»Klar, aber die Antworten, die ich bis jetzt bekommen habe, sind nicht so prickelnd gewesen.«
»Amanda, zuerst musst du dir auf jeden Fall ein Pseudonym zulegen. In diesen ganzen Kontaktbörsen sind einfach viel zu viele Spinner unterwegs. Wie wäre es zum Beispiel mit ›Rotkäppchen‹?«
»Nee, das klingt nach Lolita, irgendwie albern.«
»Ich dachte, du suchst nach etwas Besonderem«, konterte Doris grinsend.
»Ja, aber doch nicht in dieser Richtung. Ich brauche einen Namen, der sich geheimnisvoll anhört. Vielleicht auch ein wenig nach Kunst, so etwas wie ›Madonna‹.«
»Auf keinen Fall, Amanda! Wenn du dich so nennst, musst du mit jeder Menge verdrehter Typen rechnen. Irgendwelche Fetischisten oder Masos, die dir die Stiefel lecken wollen, nee. Wie wäre es denn mit ›Helena‹, der Heldin aus der griechischen Mythologie? Immerhin ist deren rätselhafte Schönheit Auslöser für einen Krieg gewesen.«
»Klingt gut.«
»So, jetzt muss ich aber los.« Doris nahm ihre Freundin in den Arm. »Lass uns in den nächsten Tagen noch mal telefonieren. Vielleicht fällt mir bis dahin sogar noch ein besserer Name für dich ein.«
Zum Abschied schwenkte sie eine ihrer Geflügelpackungen durch die Luft. Dazu machte sie gackernde Geräusche, während sie erneut die Abteilung mit den tiefgefrorenen Lebensmitteln ansteuerte, um die mittlerweile angetauten Entenbrüste gegen einwandfreie Ware auszutauschen.
Einfach verrückt, dachte Amanda. Und so etwas wollte nun ihre beste Freundin sein. Eigentlich liebte sie Doris wegen ihres skurrilen Humors. Allerdings hätte ihre Freundin nun wirklich mit etwas mehr Ernsthaftigkeit auf ihre Eröffnung reagieren können.
Mit »Helena« hatte Doris allerdings direkt ins Schwarze getroffen. Der Name klang interessant und geheimnisvoll. Irgendwie nach Stärke und Mut. Er klang genau so, wie Amanda sich ihr neues Leben vorstellte. Ja, in Zukunft würde sie »Helena« sein, zumindest auf den Seiten dieser Kontaktbörse. Auch wenn sie wusste, dass sie im wirklichen Leben alles andere als eine rätselhafte, schöne Heldin und schon gar kein besonders mutiger Mensch war. Und da sie schon einmal bei der Wahrheit angelangt war, musste sie sich auch noch etwas anderes eingestehen. Auch wenn sie ihrem Max vorwarf, sie betrogen zu haben, wusste sie im Grunde doch, dass auch sie nicht immer ehrlich zu ihm gewesen war. Schließlich hatte sie so getan, als ob sie ihn liebte, und hatte selbst dann noch das eine oder andere von ihm erwartet, als ihr schon lange klar gewesen war, dass er niemals der Mann ihrer Träume sein würde. Tatsächlich konnte man von Max sagen, was man wollte, aber er war immer ehrlich zu ihr gewesen. Nie hatte er vorgegeben, etwas anderes zu sein als ein Spatz.
Umso ungeheuerlicher war es, dass er nun die Initiative ergriffen hatte. In dem gleichen Tonfall, in dem er ihr sonst mitteilte, wohin sie am Wochenende fahren würden, hatte er gesagt: »Es ist aus, Amanda.«
Hatte sich zuvor noch geräuspert, wie er es immer tat, wenn er etwas Wichtiges sagen wollte, sich dann ganz leicht auf seine Fußspitzen gestellt und auf Amanda herabgesehen.
Wann immer sie an diese Szene dachte, stieg Wut in ihr hoch. Ihre Beziehung war also gescheitert – aber weswegen denn? Und wann denn? Gestern oder vor einer Woche? Wo war Max überhaupt die ganzen vierzehn Jahre über gewesen, wenn sie wieder einmal nachts allein im Haus herumgestrichen war, weil sie nicht hatte einschlafen
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